Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie
Autoren: Bass jefferson
Vom Netzwerk:
sein. Es war auch nicht schwer, jedenfalls nicht auf ebenem Grund. Gas gab man mit einem Hebel am rechten Handgriff, genau wie bei dem Honda-Jetski, den ich mal bei dem am Fort Nasty gelegenen Haus eines Kollegen gefahren hatte.
    Das Geländemotorrad hatte darüber hinaus eine Handbremse für die Vorderräder und eine Fußbremse für die Hinterräder, genau wie das englische Dreigangfahrrad, mit dem ich in meiner Zeit als Doktorand zum Campus gestrampelt war. So weit, so gut. Die Schaltung bestand aus zwei seltsam platzierten Knöpfen am linken Handgriff – meine ersten Schaltversuche führten zu wahren Bocksprüngen –, aber nach einigen ohne weitere Zwischenfälle verlaufenden Sätzen auf dem Gerichtsparkplatz schien der Sheriff zuversichtlich zu sein, dass ich wohlbehalten von da zurückkehren würde, wohin wir fuhren.
    Gegen den Weg, den wir jetzt aus der Stadt hinaus nahmen, war die Serpentinenstraße nach Jonesport der reinste Superhighway gewesen. Dieser Weg hier zweigte rund achthundert Meter südlich der Stadt als Schotterweg vom Highway ab. Das erste Mal überquerten wir den Fluss auf einer schiefen Holzbrücke. Die nächsten vier – oder fünf? – Mal gab es nur eine Furt, in der sich die Strömung gegen die Ballonreifen der Motorräder stemmte. Nicht lange, und der einspurige Weg wurde von zwei parallelen Furchen abgelöst, die sich bald zu einer einzigen schlammigen Erosionsrinne vereinigten. Wir schlingerten und holperten bergan, wobei wir nur qualvoll langsam vorankamen – und das war wahrscheinlich das Einzige, was mich davor bewahrte, mich wieder übergeben zu müssen. Auf der Straße war es ein Kinderspiel gewesen, die Enduro zu lenken. Hier oben war sie wie ein bockendes Tier. Die Balance zu halten und die Kontrolle nicht zu verlieren erforderte eine halb sitzende, halb hockende Position, von der mir meine Akademikeroberschenkel und -pobacken am nächsten Tag höllisch wehtun würden. Doch jedes Mal, wenn Kitchings oder Williams sich umschauten, um zu sehen, wie es mir erging, reckte ich schnell den Daumen in die Höhe und versuchte dann, wenn ich rasch wieder nach dem Lenker griff, nicht ganz und gar ungeschickt und von Panik erfüllt zu erscheinen.
    Allmählich schob sich eine Kalksteinklippe aus der Bergflanke, und der Weg – wenn man ihn denn noch als solchen bezeichnen wollte – verlief dicht an ihrem unteren Rand, manchmal unterhalb von Felsvorsprüngen, die eingerahmt waren von hoch aufragendem Schierling und glänzenden Rhododendren. An einem solchen Überhang verlangsamten die zwei Polizeibeamten die Fahrt, wandten sich einer Spalte in der Felswand zu … und stürzten sich ins Innere der Erde. Ich schnappte nach Luft, biss die Zähne zusammen und stürzte hinterher. Okay, ich stürzte nicht gerade, ich kroch eher, aber immerhin, ich folgte ihnen. Und fand den Schalter für den Scheinwerfer glücklicherweise gerade in dem Augenblick, als der letzte Schimmer Tageslicht hinter mir schwand.
    Der Boden war überraschend weich und eben – trockener Sand an einigen Stellen, verdichteter Schlamm an anderen. Die Scheinwerfer der Geländemotorräder verloren sich im Nichts, was mir verriet, dass wir in einer riesigen unterirdischen Kammer waren, in der die Dunkelheit zum Greifen dicht war. Nach einer gewissen Entfernung, die ich unmöglich näher bestimmen konnte, schlossen sich glitzernde Wände enger um uns und wir gelangten an ein unterirdisches Flussbett. Es war dreißig Zentimeter tief und vielleicht zwei Meter breit und folgte gerade wie ein Pfeil einer Falte in den Schichten des Grundgesteins. Als der Durchlass wieder breiter wurde, lenkten Kitchings und Williams ihre Motorräder aus dem Flussbett hinaus und schalteten die Scheinwerfer aus, und ich tat es ihnen nach. Wir hockten in absoluter Dunkelheit.
    Niemand sprach ein Wort. Das Wasser floss leise gurgelnd vorbei. Meine Ohren gewöhnten sich an die Stille, wie meine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hätten, wäre dort nur ein einziges Photon gewesen, auf das sich mein Blick hätte richten können. Allmählich hörte ich unter dem Gemurmel des Flusses noch ein weiteres Geräusch, einen Laut, der melodisch war, betörend und menschlich. Ich hörte unverkennbar das Lachen kleiner Kinder.
    »Hören Sie …?«, wollte ich fragen, doch ich brachte es nicht einmal über mich, die Frage zu Ende zu stellen.
    »Die Kinder. Ja.« Das war Kitchings. »Gruselig, was? Leute, die diese Höhle kennen, haben mir zwei verschiedene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher