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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände
Autoren: Alexandra Marinina
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eine Reihe von Indizien, der Untersuchungsführer wurde informiert. Es wurde entschieden, ihn vorerst nicht zu verhaften, er fühlt sich sicher und hat offensichtlich nicht vor zu fliehen. Aber er wird natürlich von uns observiert.«
    »Kein Wunder, dass er sich sicher fühlt«, brummte Gordejew. »In drei Tagen sind zwei Monate um, und er wurde noch nicht einmal verhört. Seid ihr auch sicher, dass ihr euch nicht verrannt habt?«
    Die Figur in der Ecke schien mit der Wand verschmelzen zu wollen. Mischa versagte es sich hinzusehen und antwortete mutig:
    »Wir hoffen es.«
    »Na schön, wir werden sehen, was der Untersuchungsführer von euren schwer wiegenden Indizien hält. Weiter. Die Vergewaltigung Natascha Kowaljowa, zwölf Jahre. Ich höre.«
    »Bislang noch nichts, Genosse Oberst«, meldete mit erloschener Stimme Igor Lesnikow, ein erfahrener und nach allgemeiner Ansicht der bestaussehende Ermittler in Knüppelchens Abteilung.
    »Was heißt ›bislang noch nichts‹?«, fragte Gordejew leise und legte die Brille auf den Tisch, ein sicheres Zeichen aufkommenden Zorns. »Dieses ›bislang noch nichts‹ dauert nun schon drei Wochen, das letzte Mal habe ich das Freitag früh gehört. Das ist drei Tage her. Was wurde seitdem getan?«
    »Viktor Alexejewitsch, das Mädchen steht unter Schock, sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Sie kann nicht aussagen. Wir haben nicht einmal eine ungefähre Beschreibung. Wir haben alle registrierten Täter überprüft, auch die Psychiatrien, sowie alle Schüler in den umliegenden Wohnhäusern. Wir haben eine Liste von etwa vierzig Personen, die am fraglichen Tag zwischen achtzehn und neunzehn Uhr in der Nähe des Tatorts gewesen sein könnten. Sie alle wurden verdeckt fotografiert, um die Fotos dem Opfer zur Identifizierung vorzulegen, sobald das möglich ist. Aber Natascha beantwortet keine Fragen zur Tat. Sie schweigt oder bekommt hysterische Anfälle. Und die Ärzte können nichts Verbindliches sagen.«
    Gordejew schwieg. Er nahm einen Stift und zeichnete auf ein leeres Blatt Papier ein Quadrat, in das Quadrat einen Rhombus, dann malte er die Ecken aus. Das drückende Schweigen dauerte etwa drei Minuten. Plötzlich hob Knüppelchen den Kopf und sah Lesnikow an.
    »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das noch nicht alles. Rede.«
    »Wir untersuchen die Hypothese, dass es sich bei dieser Vergewaltigung nicht nur um ein Sexualverbrechen handelt, sondern um Rache. Das Verbrechen wurde am vierundzwanzigsten Mai begangen. Am vierundzwanzigsten Mai 1988, vor vier Jahren also, wurde ein gewisser Sergej Schumilin vom Kreisgericht Tuschino verurteilt. Er war angeklagt, in betrunkenem Zustand einen Autounfall verursacht zu haben, bei dem zwei Personen schwere Verletzungen erlitten. Der Vater des Opfers, Vitali Kowaljow, war Schöffe bei der Verhandlung.«
    »Ich verstehe.« Gordejew nickte und steckte den Brillenbügel wieder in den Mund. »Und warum stockt die Sache?«
    »Sehen Sie, Genosse Oberst, Kowaljow gehört zum engen Umfeld des Vizepremiers, und Schumilin ist der Neffe von Winogradow, dem Präsidenten des Fonds zur Unternehmensförderung. Die beiden miteinander zu konfrontieren . . .«
    Igor verstummte. Gordejew schwieg erneut und kaute auf seinem Brillenbügel herum.
    »Habt ihr Schumilin schon überprüft?« Nun warf Gordejew einen Blick in die Ecke.
    »Bislang noch nicht.«
    »Macht euch ran. Aber ganz, ganz sachte. Keinen Staub aufwirbeln. Überprüft die Hypothese vollständig, ich meine auch den zweiten Schöffen und den Richter. Wenn es tatsächlich Schumilin war, dann wird er auch diese beiden nicht ungeschoren lassen. Ich will über jeden Schritt informiert werden. Ich gebe euch Rückendeckung. Wenn etwas schief läuft, reiße ich euch allen den Kopf ab. Das war’s so weit. Setz dich, Igor. Dozenko, erzähl uns vom Fall Filatowa. Den kennen noch nicht alle, die Leiche wurde in der Nacht vom Freitag zum Samstag gefunden.«
    »Am dreizehnten Juni um drei Uhr fünf wurde dem Bereitschaftsdienst der Innenverwaltung der Fund der Leiche von Irina Filatowa gemeldet, geboren neunzehnhundertsechsundfünfzig, Majorin der Miliz, leitende Mitarbeiterin des Forschungsinstituts des russischen Innenministeriums. Gefunden wurde die Leiche in der Wohnung der Filatowa von einem Mann, der sie vom Flughafen nach Hause gefahren hatte. Sie lag in der Küche vor dem eingeschalteten Elektroherd, der offensichtlich defekt war. Bei der Untersuchung des Opfers wurden jedoch keine für einen
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