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Analog 6

Analog 6

Titel: Analog 6
Autoren: H. J. Alpers
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einfänden. Doch leider sind alle übergeschnappt. Sie können an nichts anderes mehr denken als an die bevorstehende Wahl der Blutsbandschaft.“
    Wandra klatschte wieder in die Hände. „Das ist doch toll, Cal! Wer wird gewinnen?“
    „Wer denn wohl? Der scharfsinnigste Mathematiker im Universum. Die Supremi-Kandidaten haben überhaupt keine Chance, es sei denn, sie können die Wahl so lange aufschieben, bis Sor Hi gestorben ist.“
    Über das Sprechgerät in seinem Kühlanzug setzte sich Sorrel mit Daisy in Verbindung. „Nun, wenn alle sich nur noch für die Wahl interessieren, dann sollten wir uns auch nicht anders verhalten.“
    Sie hörten sich die Berichte an. Diesmal bereiteten die Nachrichten Sorrel mehr Vergnügen als beim letzten Mal, als sich die Politik in Gestalt der Supremi in seine Arbeit gemischt hatte.
    Hin und wieder schaute Sor Hi bei ihnen vorbei. Er wechselte ein paar höfliche Worte mit Sorrel und den beiden anderen Menschen, um sich dann sofort wieder in rasende Debatten mit seinen Beratern zu stürzen. Jedesmal, wenn er zurückkehrte, war er zuversichtlicher, jedesmal war er gereifter, und seine Fähigkeiten hatten noch zugenommen. Einmal berichteten die Nachrichten von einem Mordanschlag auf ihn, aber während Sorrels Hände noch feucht wurden, platzte Sor Hi schon herein und versicherte ihnen, daß es ihm gutgehe. „Wenn einen niemand zu töten versucht, dann heißt das nur, daß man nicht ernst genommen wird“, erklärte er fröhlich. „Endlich weiß ich, daß sich die Leute für mich interessieren.“
    „Ich möchte ihm helfen“, murmelte Sorrel, nachdem Sor Hi, ein Wirbelwind hektischer Aktivität, davongestürmt war.
    Vier Stunden später kehrte Sor Hi erneut zu ihnen zurück. Er entließ seine Berater, um mit den Menschen allein sprechen zu können. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mir im Wahlsaal Gesellschaft zu leisten?“ fragte er.
    Sorrel wußte, daß noch niemals ein Außenwelter einer rosanischen Wahl beigewohnt hatte. „Vielen Dank“, sagte er. „Sie erweisen uns damit ebenfalls eine große Ehre.“
    Die beiden zwei Stockwerke hohen Bühnen erhoben sich über ein Meer von Rosanergesichtern. Der Saal war eine Höhle von beängstigenden Ausmaßen, größer noch als die größte Raumkuppel der Menschen. Auf der unteren Ebene der Plattformen standen die Berater des jeweiligen Kandidaten. Sie beantworteten die gezielten Fragen der Medien. Auf der oberen Ebene standen die Kandidaten selbst. Sie erläuterten ihre Absichten, Hoffnungen und Wünsche. Sie schlossen die Zuhörer in ihre Wunschträume ein und machten so ihre Träume zu denen ihrer Zuhörer. Der Raum war erfüllt von Sprechenden, Lauschenden, Lesenden und Beobachtenden. Alle diese Tätigkeiten waren von einer Intensität erfüllt, wie sie Sorrel noch nie beobachtet hatte. Wandra hielt ihren Mund dicht an sein Ohr. „Man kann die Informationsflut in diesem Raum fast plastisch sehen – man sieht, wie Wissen Welle für Welle weitergegeben wird.“
    Sorrel nickte.
    Plötzlich senkte sich Stille über die Halle. An zahllosen Schaltern, die im ganzen Saal verteilt waren, hatte die Abstimmung begonnen.
    Dann war es vorbei. Die Lautsprecher verkündeten Sor His Sieg. Ein ohrenbetäubendes Hurrarufen setzte ein und endete erst, als Sor Hi seine Antrittsrede hielt. Sie dauerte ganze anderthalb Minuten. Wieder erklangen Hochrufe, doch der Schlag einer gewaltigen Explosion zerfetzte die Freude. Die Druckwelle schleuderte Sorrel auf den Boden, doch er hatte kaum den Saalboden berührt, als er schon wieder auf den Beinen war. Mit zwei Sprüngen war er bei der Plattform, um Sor His stürzenden Körper aufzufangen.
    Muskelfasern rissen, und sein Rückgrat schien zu zersplittern, als Sor Hi in seine ausgestreckten Arme fiel. Zusammen prallten sie gegen die Stützen der Plattform. Sorrel rollte sich herum, um Sor Hi soviel Schutz wie möglich zu geben.
    Sorrel rollte stöhnend auf den Rücken. Ein Rosaner mit einem Arztmedaillon beugte sich über Sor Hi und verkündigte: „Er lebt.“ Sorrel spürte einen nie erkannten schrecklichen Schmerz im Rücken und verlor das Bewußtsein.
     
    Als er sich wieder auf die Seite rollte, befand er sich plötzlich in einem bequemen Bett. Es war sein Bett auf dem Schiff. Er hörte das hohe Kolibrigezwitscher eines Rosanerkicherns und öffnete die Augen.
    Sor Hi lag auf einer Trage an seiner Seite und schaute ihn an. „Dank Ihnen, Vater, und meine Glückwünsche – wir haben
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