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Analog 6

Analog 6

Titel: Analog 6
Autoren: H. J. Alpers
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gewonnen.“
    „Was ist geschehen?“
    „Ein zweiter Mordanschlag. Diesmal mit mehr Erfolg, aber noch immer nicht ausreichend. Ich habe lange genug gelebt. Es wurde der Befehl erteilt, die Blutlinien der Supremi auszumerzen, und sie haben keine unsterblichen Wesen, die ihre Träume beschützen könnten, so wie Sie die meinen bewahrt haben.“
    Sorrel betrachtete die Wunden und Verbände, von denen Sor His Körper übersät war. Ja, die Mörder hatten diesmal mehr Erfolg gehabt. Einem verwundeten Rosaner blieb nur noch wenig Zeit: Sein Körper verbrauchte alle gespeicherten Nährstoffe in einem verzweifelten Versuch, die Verletzungen zu heilen, und dies führte zu einem schnellen Tod durch Verhungern.
    Sorrel richtete sich langsam und unter Schmerzen im Bett auf. „Kann ich etwas für Sie tun?“
    Sor His Blicke wanderten geistesabwesend durch den Raum. „Nein, ich habe keine Wünsche.“
    Sorrel richtete seine Augen fest auf Sor His Gesicht, der Nebel in seinem Kopf lichtete sich allmählich. Die Haut über Sor His Wangen war straff gespannt – er war dem Tode nahe.
    „.Mögen Sie bei der aufgehenden Sonne sterben’“, murmelte Sor Hi. „Ist das nicht seltsam – seit wir uns in die Höhlen zurückzogen, ist nie mehr jemand bei der aufgehenden Sonne gestorben. Ich frage mich, wie das wohl sein mag.“
    Erschreckt und gebannt blickte Sorrel auf seine Uhr. Er stellte fest, was er bereits vorher gewußt hatte. Der Sonnenaufgang stand unmittelbar bevor. „Ich will Ihnen etwas zeigen“, sagte er. „Folgen Sie mir bitte.“
    Zwei Rosaner trugen die Trage hinter Sorrel her, der ganz weit nach vorn in den Bug des Schiffes humpelte. Von dort konnte man am Rand des Felsmassivs mit dem Höhleneingang vorbeischauen und hatte einen Blick auf den Morgen von Khayyam. Jetzt stieg die Sonne gerade über den Horizont und berührte die unzähligen flachen Wassertümpel, die die Oberfläche von Khayyam bedeckten. Bei dieser fiebrigen Berührung erzitterte das warme Wasser, Blasen stiegen auf, und es begann zu kochen. Gewaltige Dampfwolken stiegen zum purpurfarbenen Himmel auf, und während sie aufstiegen, verdichteten sie sich zu Regen, der herabfiel und sich wiederum in Dampf verwandelte, wenn er sich der Oberfläche näherte. Wie im Rausch huschten Regenbögen durch die fallenden und steigenden Wasser. Sie vergingen erst, als alles Wasser endgültig verdampft war.
    Sor Hi atmete schwer. „Es ist unvergleichlich“, flüsterte er gebannt. „Meine Kinder müssen sich für mich an diese Schönheit erinnern.“ Er sah Sorrel an. „Und sie müssen sich an dich erinnern.“ Zum letzten Mal holte er tief Luft. „Ich …“ Die Überraschung einer plötzlichen Einsicht ließ sein Gesicht aufleuchten. „Für dich ist es noch schwerer“, sagte er. „Du mußt weiterleben.“
    Sorrel schluchzte. „Ja, mein Sohn.“ Der Nektarduft überwältigte sie, jeden auf seine Weise.
     
    Behutsam geleitete man Sorrel aus dem Raum am Schiffsbug in sein Zimmer zurück. Drei Tage lang lag er auf seinem Bett, sprach nicht, aß nicht und bewegte sich nicht. Er bemerkte wohl, wenn jemand den Raum betrat und ihn an die künstliche Ernährung anschloß, aber er interessierte sich nicht dafür. Tief in seinem Innern wartete sein Geist darauf, daß ihn irgend etwas wieder ins Leben zurückholte. Sorrel wußte nicht, worauf er wartete, und auch darüber machte er sich keine Gedanken.
    Am vierten Tag erzählten sie ihm, daß das Ultralichtkommunikationsgerät fertig sei. Jetzt konnten sie ein dreidimensionales Bild nach Lazara projizieren und eine Antwort empfangen. Sie sagten ihm, daß sie Kontakt zu Balcyrak aufnehmen wollten.
    Dies war der Auslöser, auf den sein Geist gewartet hatte. Er sah sie an, dann stand er auf und folgte ihnen in das UL-Labor.
     
    Balcyrak musterte ihn still und lächelte freundlich. „Hassen Sie uns noch immer, Mensch Everwood?“
    Sorrel schaute zu Boden und schüttelte den Kopf. „Nein. Jetzt habe ich in Ihren Schuhen gestanden.“
    „Ja, es ist nicht leicht, ein Lazariner zu sein.“
    Sorrel versuchte etwas zu sagen, schluckte und schüttelte den Kopf.
    Balcyrak fuhr fort. „Ich möchte Ihnen für all das danken, das Sie für uns getan haben. Mein ganzes Volk ist Ihnen zu Dank verpflichtet, und unsere Zivilisation wird ein Loblied auf Sie, unseren Retter, singen.“
    Sorrel starrte Balcyrak eine Zeitlang an, dann wurde ihm klar, was dieser sagen wollte. Balcyrak hatte ihn seinerzeit belogen. Es war nicht ungewiß,
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