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Analog 2

Analog 2

Titel: Analog 2
Autoren: H. J. Alpers
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Zeitpunkt, an dem Sie sich entschlossen, Mr. Higgins am Ufer zu materialisieren, hat überhaupt nichts mit einem Intervall von einundzwanzig Jahren zu tun. Denn es liegt in der Natur der Zeit hier unten, daß jeder Augenblick eine Ewigkeit ist.“
    „Ich verstehe Ihre Position, Mr. Thomas. Bitte fahren Sie fort.“
    „Ja, Euer Ehren. Darf ich das Gericht nochmals daran erinnern, daß mein Klient einen kaltblütigen Doppelmord begangen hat, ein entsetzliches Verbrechen. Daher sollte er dazu verurteilt werden, ewig an diesem Ort der Qualen verbleiben zu müssen.“
    „Aber er erlebt hier keine Qualen , Mr. Thomas. Ganz im Gegenteil , es scheint ihm hier ausgesprochen gut zu gefallen. Ein solches Verhalten schadet unserem Ruf.“
    „Ist die Qual das Problem, Euer Ehren? Diesbezüglich können wir uns vielleicht auf einen Kompromiß einigen, nach dem mein Klient – sagen wir, einmal täglich – leiden muß.“
    „Werden Sie nicht unvernünftig, Mr. Thomas. Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?“
    „Nein, Euer Ehren. Wir erwarten Ihr Urteil.“
    „Eine interessante Situation, Mr. Thomas. Wir werden Mr. Miller ausweisen müssen, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Die Frage ist nur, wohin – und gleichzeitig, wannhin . Zurück nach Terra? Oder ist er tot und muß … äh, an den anderen Ort? Aber vergessen wir Mr. Miller vorerst, und wenden wir uns Ihrer Zukunft zu, Mr. Thomas. Wie Sie so überzeugend dargelegt haben: Wenn Sie hierbleiben, dann wird Mr. Millers Patent der Öffentlichkeit zugänglich werden. Und uns wird man damit verdammt bald die Wärme entziehen. Wir würden als Institution verschwinden. Wir würden ganz einfach die Wärmeeinheiten verlieren, die wir für ein reibungsloses Funktionieren benötigen. Was traurig wäre. Daher können wir Sie nicht hierbehalten. Andererseits: Senden wir Sie zurück, dann gibt es auch nichts, was dieses Patent aufhalten könnte. Tatsächlich könnten Sie dort oben ja ein vitales Interesse an den Tag legen, eine möglichst schnelle Verbreitung zu gewährleisten. Damit würden wir unseren Untergang nur noch beschleunigen.“
    „Nein, Euer Ehren. Wenn ich all dies täte, dann würde auch das Schwefelmeer verschwinden, und das wäre den Interessen meines Klienten vollkommen entgegengesetzt. Man könnte mich unehrenhaft meines Amtes entheben.“
    Richter Jones brach in ein höllisches Gelächter aus. „Sind Sie tatsächlich so ehrbar, Mr. Thomas? Für ein Lizenzeinkommen von mehreren Milliarden Dollar würde manch einer gerne seinen Anwaltsjob an den Nagel hängen. Oder Schlimmeres anstellen.“ Der Richter beugte sich über den Tisch und preßte seine Schuppenfinger gegen einander. „Ich kann Sie nicht behalten. Ich kann Sie nicht gehen lassen . Aber es gibt eine Lösung, mit der wir uns auch gleichzeitig das Problem Mr. Miller vom Halse schaffen können.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Natürlich nicht. Und das werden Sie auch niemals. Guten Tag zusammen, Gentlemen.“
    „Aber Euer Ehren? Das Urteil? Ihre Entscheidung?“ Seine rote Robe flatterte unsicher.
    Aber er schleuderte seine Worte der Luft entgegen. Richter Jones war verschwunden.
    Quentin Thomas betrachtete das ängstliche Gesicht seines Klienten. Aber auch dieses Gesicht begann zu verblassen.
    Er war allein im Gerichtssaal.
    Und dann begann auch der Saal zu verschwinden.
    Und er mit ihm.
     
9. Böses Erwachen
     
    Er erwachte, desorientiert von Träumen und Nachtmahren.
    Es war das Telefon.
    Er streckte sich auf der Liege in seinem Studierzimmer aus. Die Nachtbeleuchtung war eingeschaltet. Wie kam er hierher? Er konnte sich nicht daran erinnern, hier eingeschlafen zu sein. Und schon gar nicht in dieser roten Verteidigerrobe.
    Er erinnerte sich an die Hitze. Seine Achselhöhlen waren tropfnaß. Und auch sein Gesicht war schweißgebadet. Aber wie, warum? Die Zimmertemperatur war nicht zu hoch.
    Er sah auf seine Armbanduhr. Drei Uhr morgens, zehnter Juni. Juni? Das wurde ja immer schlimmer. War es nicht eigentlich schon Anfang Oktober? Was war mit Juli und August und September geschehen? Seine Uhr mußte falsch gehen. Ließ sich leicht überprüfen. Er sah hinüber zur Wanduhr. Auch sie zeigte den zehnten Juni, drei Uhr morgens. Nun gut. In dieser verwehten Traumwelt war es eben Oktober gewesen. Aber hier, in diesem Zimmer, in der realen Welt, war es Juni. Er mußte das akzeptieren.
    Das Telefon war eine Stimmreaktionseinheit. Wenn er, von dort, wo er lag, sagte: „Quentin Thomas, Anwaltsbüro“,
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