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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht
Autoren: Veronika Peters
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Anrufbeantworter blinken.
    »Paul hier. Bist du zuhause? Ich helfe Valentin noch, die Ausstellung fertig zu hängen. Könnte länger dauern. Rufst du mal zurück, wenn du da bist?«
    Paul und Valentin. Ein Wunder, dass es zwischen den beiden Brüdern noch Raum für sie gibt. Reichlich Platz sogar, wenn sie
so darüber nachdenkt. Nie hatte sie sich an Valentins Nähe zu Paul gestört, ab und zu gar dachte sie, sie bekäme zwei zum Preis von einem. Was natürlich nur teilweise stimmt. Valentin würde niemals eine Frau anrühren, die Paul gefällt, und umgekehrt.
    Als Paul mit ihr in Berlin bei Valentin im Atelier auftauchte und meinte, sie würden bleiben, bis sie eine Wohnung gefunden hätten, war Valentins einziger Kommentar: »Herzlich willkommen!« Er räumte ein Zimmer für sie frei, stellte keine Fragen und nahm Marta ohne weitere Umstände in sein Leben auf. Jobangebot inklusive. Sie war für ihn Pauls Frau und als solche unbedingt vertrauenswürdig. Sie gehörte dazu. So einfach war das.
    Es wäre schön, jetzt bei den beiden zu sein, zuzusehen, wie sie Hand in Hand arbeiten, die Wände vom Café mit den bunten Werken irgendeiner unbekannten Künstlerin schmücken, der Valentin eine Präsentationsfläche bieten will, weil sie begabt oder hübsch oder beides ist. Monatlich wechselt die Ausstellung, und Valentin hat jedes Mal die Hoffnung, nun endlich als »Ort, an dem sich neue Kunst entdecken lässt« in einem der einschlägigen Stadtmagazine aufzutauchen, aber Marta ist der Ansicht, dass die Gewinne aus dem Laden eher dem erstklassigen Kaffee als der Qualität der ausgestellten Bilder zu verdanken sind.
    Valentins eigene Arbeiten hängen nie dort.
    Marta verwirft den Gedanken, noch einmal rauszugehen, greift nach dem Telefon, legt es dann doch wieder weg. Sie sollte etwas Ordnung in der Wohnung machen, etwas Sinnvolles tun, ihre Hände beschäftigen.
    Ein Foto meiner Mutter.
    Der Satz klingt falsch. So wie das Bild; es stimmt nicht.
    Sie hatte helle Haare, früher: fein sich ringelnde Locken, die ihr bis über die Schultern fielen, brachten wildfremde Menschen
dazu, sich nach ihr umzudrehen. Sie schien das nie zu bemerken. Eine junge Frau, die als Schönheit galt, ohne sich selbst dessen bewusst zu sein. Ihr Gesicht: weicher, ja, das war es wohl, obwohl diese Vokabel im Zusammenhang mit Greta merkwürdig klingt. Möglicherweise hat sich auch dies im Laufe der Jahre durch einen der vielen Filter, die sich vor die Erinnerung schieben, verzerrt; man durfte sich nicht darauf verlassen. Aber blond war sie gewesen, das schon.
    Greta trug ihre Haare nur in den Ferien offen, wenn sie am Strand saß, über ein Buch gebeugt, das auf ihren ganzjährig braungebrannten Beinen lag. Sophia und Marta durften machen, was sie wollten, solange sie still genug waren, dass sie lesen konnte, und die Mädchen darauf achteten, wer die kleine Steintreppe, die zum Strand führte, hinabkam. Ab und zu löste sich eine Strähne, schaukelte vor ihren Augen, bis sie sie sich wieder hinters Ohr strich. Marta träumte damals davon, lange Haare zu haben, nur um sie mit der gleichen Bewegung bändigen zu können. Vermutlich denken alle Kinder in diesem Alter, ihre Mutter sei die schönste Frau der Welt.
    Wenn Richard sich näherte, musste Greta gewarnt werden.
    »Er kommt!«
    Schnell ließ sie das Buch in ihrer Tasche verschwinden, drehte sich in Richtung Treppe um, lächelte.
    »Was hast du die ganze Zeit gemacht, Greta?«
    »Mit den Kindern gelernt, Richard.«
    »Gut. Waren sie artig?«
    »Ja, sehr. Und fleißig!«
    Sophia und sie hielten dem Blick des Vaters stand, nickten eifrig zu Gretas Worten und warteten darauf, dass sie ihnen kurz über die Köpfe streicheln würde, sobald Richard wieder verschwunden war.

    Marta wusste, wo Greta ihre Bücher versteckte. Wer der Mann auf dem alten Foto war, das Greta als Lesezeichen benutzte, konnte sie aber nicht herausfinden. Auf die Idee zu fragen wäre sie nie gekommen. Dass Richard jemals von der Schönheit seiner »Gattin«, wie er sie vor anderen zu nennen pflegte, gesprochen hat, daran kann sie sich nicht erinnern.

    Der Hund stürzt hechelnd in die Küche, springt freudig an ihr hoch und weicht mit einem Winseln zurück, als Marta ihn anherrscht, er solle verschwinden. Sie lässt die Arme sinken. Paul tritt von hinten an sie heran, nimmt ihr die Scherben aus der Hand. Etwas Warmes, Weiches läuft über ihre Arme, tropft ins Becken, sickert in den Schaum.
    »Tut mit leid, ich habe das Glas
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