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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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gefunden hatte, nicht wahr? Also müssen wir wohl nützlich sein. Warum etwas verspotten, was nützlich ist?»
    «Man mußte sich um die Leiche kümmern, nicht wahr?» fragte Louis mit funkelnden Augen. «Wir konnten sie nicht in die Gracht werfen; sie würde das Wasser verpesten.»
    «Ich verstehe. Also haben Sie die Männer von der Müllabfuhr gerufen?»
    Louis senkte den Blick.
    «Aber Ihr Freund ist tot, sein Gesicht zerschmettert. Wollen Sie nicht, daß wir den Mörder festnehmen?»
    Louis’ Gesicht veränderte sich. Das Funkeln wich aus den Augen, und er sah plötzlich erschöpft und müde aus. Das empfindsame Gesicht wurde zu einer Maske der Traurigkeit und behielt sein Leben nur durch den Glanz der großen Augen.
    «Ja», sagte Louis sanft. «Er ist tot. Und wir sind allein.»
    «Wir?»
    «Esther, ich und andere; die Menschen, die er inspirierte.»
    «Hatte er Feinde?»
    «Nein. Freunde. Freunde und Bewunderer. Viele Leute besuchten ihn hier. Er gab Parties, und die Leute taten alles, um eingeladen zu werden. Er hatte viele Freunde.»
    «Und geschäftlich? War er geschäftlich ebenfalls beliebt?»
    «Ja», sagte Louis und starrte den Plastikschädel vor sich an. «Der König des Marktes in der Albert Cuypstraat. Sehr beliebt. Alle Straßenhändler kannten ihn. Sie kauften auch bei ihm. Er war ein großer Geschäftsmann, wissen Sie. Wir brachten ganze Wagenladungen aus Osteuropa an, von denen eine Menge an den Markt verkauft wurden. In jüngster Zeit machten wir in Wolle, tonnenweise, Wolle zum Stricken und Teppichknüpfen. Wolle ist heutzutage eine teure Ware.»
    «Wir?» fragte der Commissaris.
    «Nun, hauptsächlich Abe. Ich half ihm nur.»
    «Erzählen Sie von sich.»
    «Warum?»
    «Es könnte uns helfen, die Situation zu verstehen.»
    Louis grinste. «Ja, Sie sind Polizist. Das hatte ich fast vergessen. Aber warum sollte ich der Polizei helfen?»
    Grijpstra war ins Zimmer geschlüpft und hatte seinen Platz auf dem Bett wieder eingenommen. «Sie sollten der Polizei helfen, weil Sie ein Bürger sind», dröhnte Grijpstra plötzlich, «weil Sie ein Mitglied der Gesellschaft sind. Die Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn es eine öffentliche Ordnung gibt. Wenn die Ordnung gestört worden ist, muß sie wiederhergestellt werden. Sie kann nur wiederhergestellt werden, wenn die Bürger die Polizei unterstützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, die Bürger vor sich selbst zu schützen.» Louis schaute auf und lachte.
    «Halten Sie das für komisch?» fragte Grijpstra entrüstet. «Ja. Für sehr komisch. Für Phrasen aus dem Lehrbuch. Und für falsch. Warum sollte ich, ein Bürger, von dem profitieren, was Sie in Ihrer Dummheit, in Ihrer Weigerung zu denken, die öffentliche Ordnung nennen? Könnte es nicht sein, daß die öffentliche Ordnung pure Langeweile ist, eine schwere Last, die den Bürger unterdrückt?»
    «Ihr Freund unten ist tot, mit zerschmettertem Gesicht. Macht Sie das glücklich?»
    Louis hörte auf zu lachen.
    «Sie sind Student, nicht wahr?» fragte der Commissaris. « Ja. Ich habe Jura studiert, es aber aufgegeben, als ich erkannte, wie widerwärtig unsere Gesetze sind. Ich habe meine Kandidatenprüfungen bestanden, aber weiter wollte ich nicht gehen. Seitdem bin ich nicht mehr in der Nähe der Universität gewesen.»
    «Wie schade», sagte der Commissaris. «Ich habe ebenfalls Jura studiert und es für eine faszinierende Disziplin gehalten. Sie brauchen nur noch wenige Jahre. Wollen Sie Ihr Studium nicht beenden?»
    Der Junge zuckte die Achseln. «Warum sollte ich? Falls ich meinen Magister der Jurisprudenz mache, finde ich mich vielleicht irgendwo in einem Büro in einem Betonkasten wieder, wo ich für ein großes Unternehmen oder sogar für den Staat arbeite. Ich habe keine Lust, zum Establishment zu gehören. Es macht mehr Spaß, auf dem Straßenmarkt Waren auszurufen oder in der Tschechoslowakei mit einem Lastwagen durch den Schnee zu fahren. Und ich bin nicht auf Geld aus.»
    «Was würden Sie tun», fragte Grijpstra, «wenn Ihnen jemand die Brieftasche klaut?»
    «Ich würde nicht zur Polizei gehen, falls Sie das meinen.»
    «Und wenn jemand Ihren Freund ermordet? Haben Sie nicht zu Esther gesagt, sie solle uns anrufen?»
    Louis setzte sich aufrecht hin. «Hören Sie», sagte er laut, «streiten Sie nicht mit mir, ja? Ich bin es nicht gewohnt, mich verteidigen zu müssen. Ich akzeptiere Ihre Macht und Ihre Versuche, die Ordnung in einem Irrenhaus aufrechtzuerhalten, und ich werde
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