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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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Schußwaffenkugel kann es nicht gewesen sein, weil kein Loch da ist, aber anscheinend ist jeder Knochen im Gesicht zerschmettert. He! Wer sind Sie?»
    Er hatte einen Mann im Korridor an der Tür vorbeigehen sehen, einen jungen Mann, der jetzt ins Zimmer kam.
    «Louis Zilver», sagte der junge Mann.
    «Was wollen Sie hier?»
    «Ich wohne hier, ich habe oben ein Zimmer.»
    «Wir sind Polizisten, die hier den Tod von Mijnheer Rogge untersuchen. Dürfen wir in Ihr Zimmer kommen? Die Fotografen und Fingerabdruckspezialisten werden sich dieses Zimmer ansehen wollen, und wir könnten die Gelegenheit nutzen, Ihnen einige Fragen zu stellen.»
    «Natürlich», sagte der junge Mann.
    Sie folgten Zilver auf der engen Treppe nach oben und wurden in ein großes Zimmer gebeten. Der Commissaris nahm den einzigen Sessel, Grijpstra setzte sich auf das Bett, der junge Mann hockte sich ihnen gegenüber auf den Fußboden.
    «Ich bin mit Abe und Esther befreundet», sagte Louis. «Ich wohne jetzt seit fast einem Jahr in diesem Haus.»
    «Erzählen Sie weiter», sagte der Commissaris, «alles was Sie wissen. Über das Haus, was so passiert ist, was die einzelnen tun. Wir wissen nichts. Wir sind soeben erst gekommen. Aber zunächst möchte ich, daß Sie uns sagen, ob Sie wissen, wie Abe gestorben ist und wo Sie zu dem Zeitpunkt waren.»
    «Ich war hier», sagte Louis. «Ich war den ganzen Tag im Haus. Abe hat um vier Uhr nachmittags noch gelebt. Da war er hier, in diesem Zimmer hier. Und ich weiß nicht, wie er gestorben ist …»
    «Sprechen Sie weiter», sagte der Commissaris freundlich.
3
    Louis Zilvers Zimmer war fast so leer wie das des Toten eine Etage tiefer, aber es hatte eine andere Atmosphäre. Dem Commissaris, der nicht so lange bei Abe Rogges Leiche gewesen war wie Grijpstra, fiel der Unterschied nicht auf. Er sah nur ein anderes Zimmer im selben Haus, ein Zimmer mit nacktem Holzfußboden, eingerichtet mit einem ordentlich gemachten Bett, einem großen Schreibtisch mit Aufsatz, der eine Reihe von Fächern hatte, die mit Papieren in durchsichtigen Plastikheftern angefüllt waren, und einem Bücherschrank, der eine ganze Wand bedeckte. Grijpstra definierte den Unterschied als den zwischen «ordentlich» und «unordentlich». Zilver mußte ein Mann oder vielmehr ein Junge mit Organisationstalent sein, denn er war nicht viel ä lter als zwanzig. Grijpstra beobachtete Louis, der geduldig vor den vernehmenden Beamten hockte, und bemerkte die großen, fast flüssigen dunklen Augen, die sanft gebogene Nase, den Hauch von Oliv in der Farbe der Haut über den hohen Backenknochen, das lange, blauschwarze Haar. Louis wartete. Inzwischen tat er nicht viel. Er hatte die Beine gekreuzt und sich eine Zigarette angesteckt, nachdem er einen Aschenbecher so hingestellt hatte, daß der Commissaris und Grijpstra die Asche ihrer Zigarillos abstreifen konnten. Der Aschenbecher faszinierte Grijpstra. Es war ein aus Plastik geformter menschlicher Schädel mit einem großen Loch in der Hirnschale, in das ein Silberschälchen paßte.
    «Brr», sagte Grijpstra. «Das ist vielleicht ein Aschenbecher!»
    Louis lächelte. Das Lächeln war arrogant, herablassend. «Einer meiner Freunde hat ihn gemacht. Er ist Bildhauer. Das Ding ist wirklich verrückt, aber nützlich, so daß ich ihn behalten habe. Und was er bedeutet, ist offensichtlich. Memento mori.»
    «Warum behalten Sie ihn, wenn Sie ihn für verrückt halten?» sagte der Commissaris. «Sie hätten ihn wegwerfen und statt dessen eine Untertasse nehmen können.»
    Der Commissaris, der den Tag im Bett verbracht hatte, um die Schmerzen in seinem Bein zu lindern, die ihn in den vergangenen Wochen beinahe gelähmt hatten, rieb sich das rechte Bein. Die heißen Nadelstiche seines akut chronischen Rheumas ließen seine blutleeren Lippen zucken. Sein Shantunganzug, komplett mit Weste und Uhrkette, schien für seinen kleinen verwelkten Körper ein wenig zu groß zu sein. Sein runzliges Gesicht mit dem sorgsam gebürsteten, spärlichen farblosen Haar drückte sanfte Genauigkeit aus.
    «Der Bildhauer ist mein Freund und kommt oft her. Ich glaube, es würde ihn verletzen, wenn ich sein Kunstwerk nicht benutzte. Außerdem macht es mir nichts aus, diesen Ascher hier zu haben. Die Botschaft des Schädels mag eine Binsenweisheit sein, aber dennoch stimmt sie. Das Leben ist kurz, nutze den Tag und so weiter.»
    «Ja», sagte der Commissaris. «Im Haus ist ein Toter, der die Richtigkeit dieser Redewendung beweist.»
    Der
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