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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert
Autoren: Gord Rollo
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genügend Vorsprung auf die Carver Street und beobachtete, wie der Zug an mir vorbeidonnerte – wie eine riesige Metallschlange, die sich einen Weg Richtung Rochester bahnte. Nachdem er weg und nur noch der gewöhnliche Lärm der chaotischen Stadt zu hören war, drehte ich mich um und stellte fest, dass die Tür der Limousine immer noch offenstand. Im Inneren war es zu dunkel, um etwas zu erkennen, aber ich hatte das Gefühl, der Glatzkopf beobachtete mich mit einem breiten, frostigen Grinsen im Gesicht.
    Komm in meinen Salon, sagte die Spinne zur Fliege.
    Zwei Gedanken wirbelten mir durch den Kopf, als ich mich dem eleganten Fahrzeug näherte. Zum einen, dass ich wahrscheinlich bis Mitternacht tot sein würde, wenn ich in den Fond dieses Wagens stiege, zum anderen, dass ich auf der Brücke die Gelegenheit hatte sausen lassen, Puckman den Eishockeypuck in meiner Tasche auf den Scheitel zu werfen. Ich musste mich in einer ziemlich verqueren Stimmung befinden, denn der zweite Gedanke regte mich deutlich mehr auf als der erste.
    »Worauf um alles in der Welt lasse ich mich da bloß ein?«, fragte ich mich laut, doch um ein Klischee zu bemühen: Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
    Ich kletterte auf den Rücksitz.

TEIL ZWEI
    Das Angebot

Kapitel 4
    Wenngleich es stimmt, dass wir alle unsere eigenen Pfade im Leben wählen müssen, kann man getrost behaupten, dass andere Menschen diese Entscheidungen stark beeinflussen können.
    Und dasselbe galt für ihre schnittigen Autos.
    Das geräumige Interieur der weißen Limousine war mit einem Wort erstaunlich. Das weichste, gemütlichste Leder, das zu berühren ich je das Vergnügen gehabt hatte, bot genug Platz für zehn Personen. Der Wagen war mit einem Kühlschrank samt Gefrierfach, einem Spülbecken und einem Hängegestell für Gläser ausgestattet. Außerdem mit einem 14-Zoll-Farbfernseher, einem DVD-Player, einer mörderischen Stereoanlage mit Surround-Sound-Lautsprechern und fünffachem CD-Wechsler.
    Für den Durchschnittsbürger symbolisierte dieses wunderschöne Auto Status, Glanz und herrliche Extravaganz, für mich jedoch kam der übertriebene Luxus – in Anbetracht der schäbigen Orte, an denen ich mich in letzter Zeit herumtrieb – einem Angriff auf meine Sinne gleich. Der Geruch von teurem Leder, der sich mit jenem eines brandneuen Plüschteppichs vermischte, war schlichtweg unglaublich, beinah berauschend. Immer wieder holte ich tief Luft und genoss das süße Aroma wie einen seltenen Leckerbissen, was es für mich auch war.
    Es roch wirklich wunderbar, doch was ich am meisten roch, war Geld. Kaltes, hartes Bargeld. Es war unmöglich, in diesem prunkvollen Fahrzeug zu sitzen, und nicht zu begreifen, dass dessen Besitzer nicht nur reich sein, sondern in Moneten schwimmen musste. Es fühlte sich eigenartig an, dort zu sitzen, verblüffend. Es war, als schlügen mir all die Dinge, die ich auf dieser Welt verloren hatte, aber insgeheim begehrte, wie ein Schwergewichtler in den Magen; als hätte ich einen verbotenen Ort der Fantasie betreten, ein für mich so seltsames und fremdartiges Land wie ein Weltraumausflug auf die Mondoberfläche.
    Offensichtlich war ich beeindruckt, allerdings auch klug genug, um zu wissen, dass diese Leute etwas von mir wollten und diese Zurschaustellung obszönen Reichtums einen Bestandteil ihres Plans darstellte. Es war ein Köder – sie hielten dem mittellosen Penner Geld vor die Nase und wollten sehen, ob er zubeißen würde. Ich musste zugeben, es funktionierte. Mir gefiel, was ich sah, und ich wollte mehr davon. Noch war ich nicht ganz bereit, den Haken zu schlucken, aber ich wurde mächtig hungrig.
    Mein muskulöser Gastgeber war neben mir der Einzige im Fond der Limousine und saß mir gegenüber, das rechte Bein lässig über das linke Knie geschlagen, während er leise in ein winziges Handy sprach. Er tat so, als ignoriere er mich und widme sich ausschließlich seinem Telefongespräch, doch ich ertappte ihn mehrmals dabei, dass er verstohlen zu mir spähte und mich dabei beobachtete, wie ich die Umgebung betrachtete.
    Viel hörte ich von seiner Unterhaltung nicht, da ich erst kurz vor deren Ende eingestiegen war, aber ich bekam noch mit, wie er einige Male »Ja, Sir« sagte, als rede er mit dem Boss, den er zuvor erwähnt hatte. Wahrscheinlich versicherte er seinem Arbeitgeber, dass ich leichte Beute wäre, zumal ich mit geweiteten Augen um mich glotzte wie ein Kind zu Weihnachten.
    »Entschuldigung«, sagte er, schloss das
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