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Amore siciliano

Amore siciliano

Titel: Amore siciliano
Autoren: Luzie Bronder
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Nachteile zu deinen Vorzügen zu machen«, hatteCharly behauptet, als wir das Kleid im Geschäft einer noch unbekannten jungen Designerin entdeckt hatten, ich jedoch erst zögerte, ob ich mich in so einem schicken Fummel auch angemessen bewegen könne. Obwohl ich es eigentlich für romantische Abende besorgt hatte, hatte ich es dann nie getragen, weil Malte fand, dass es »zu elegant für einen kleinen Tollpatsch« wie mich wäre.
    Es war mir also eine große Genugtuung, es heute anzuziehen. Und trotz des ungewohnt engen Schnitts fühlte ich mich damit gleich ein bisschen freier, als sei das Kleid für mich gemacht und habe nur auf mich gewartet. Außerdem hatte ich mich zum ersten Mal seit langem geschminkt.
    Messina zeigte sich heute von seiner besten Seite. Die Abendsonne tauchte den Marktplatz, auf dem sich viele bunte Menschen tummelten, in ein sanftes goldenes Licht: Liebespaare, Geschäftsleute mit gelockerten Krawatten, Studenten und Touristen saßen um den Brunnen herum, und ich stand mittendrin und ließ die Szenerie auf mich wirken, die Digicam fest in der Hand und den Finger am Auslöser.
    Unglaublich, wie schnell die Wochen hier vergangen waren. Und ich hatte mich außer durch ein paar SMS nicht ein einziges Mal richtig bei meinen Eltern gemeldet. Ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen schon, immerhin waren sie meine Eltern und sorgten sich hin und wieder um mich, auch wenn sie es nicht immer zeigten. Zudem war ich der Meinung, dass sie sich mehr Sorgen um sich selbst und ihre Gesundheit machen sollten, bei all den Champagnerbrunches und Canapés, die sie soverdrückten. Doch seit der Trennung von Malte hatte ich immer wieder darüber nachgedacht, wie sehr ich mich in der letzten Zeit von meinen Eltern distanziert hatte. Obwohl meine Vorwürfe gegen ihre verschwenderische Lebensart mehr als berechtigt waren, fragte ich mich, ob diese Diskussion nicht ein wenig ausgeartet war und, vor allem von meiner Seite, viel zu ideologisch geführt wurde. Immerhin waren wir eine Familie und gehörten – trotz aller Unterschiede – zusammen. Gerade das Zusammengehörigkeitsgefühl der sizilianischen Familien, ihre Fähigkeit, Krisen gemeinsam zu überwinden, hatte mich ja so beeindruckt. Davon wollte ich etwas zurück mit nach Deutschland nehmen.
    Derart versöhnlich gestimmt, schoss ich ein Foto mit dem Brunnen im Hintergrund und schickte es meinem Vater mit einem kurzen Gruß als MMS. Dann ging ich zur Tabaccheria hinüber und kaufte eine Postkarte samt Briefmarke, auf der ich ihnen ein paar nette Zeilen schreiben wollte. Darüber würden sie sich sicher freuen, und ich hatte noch Zeit bis zum Treffen mit Paolo.
    Ich setzte mich wieder in das Café der abergläubischen Eisverkäuferin, bestellte einen doppelten Espresso und schrieb die Karte. Kurzzeitig überlegte ich, auch Malte eine zu schreiben, um ihm so den Termin mitzuteilen, an dem ich gedachte, meine Habseligkeiten aus seiner Wohnung abzuholen. Das erschien mir dann aber doch etwas zynisch. Sicher würden wir es hinbekommen, uns bei den letzten Schritten dieser Trennung wie Erwachsene zu verhalten. Ich würde ihm einfach seine Sachen zurückbringen und im Gegenzug mein Lieblings-T-Shirt, meineCDs und die Schokoladen- und Kaffeevorräte, die ich bei ihm gebunkert hatte, weil er nie etwas Süßes dahatte und immer nur Tee trank, zurückverlangen.
    Als ich ausgetrunken hatte, klebte ich noch die Marke auf, ließ Trinkgeld neben der leeren Tasse liegen und suchte nach einem blauen Briefkasten für die Posta prioritaria.
    Dann kehrte ich zum Marktplatz zurück, wo Paolo und Enzo bereits am Brunnen auf mich warteten. Als ich auf die beiden zuging, wurde mir noch einmal bewusst, wie toll er aussah, so maskulin. Sein Anblick verursachte mir ein Kribbeln im Bauch. Enzo blickte erwartungsvoll zu mir auf, bis ich seinem Herrchen ein Küsschen rechts und links gab, und wedelte freudig mit dem Schwanz.
    »So, jetzt bin ich gespannt auf die Geheimnisse von Messina«, sagte ich, und Paolo nahm wie selbstverständlich meine Hand. Der Abend stand unter seinem Kommando, und ich verließ mich voll und ganz auf ihn. Wir starteten am Theater, zogen durch die Gassen Richtung Hafen, spazierten eine Weile eine Promenade mit Blick auf die Stiefelspitze entlang und aßen zu Abend in einem Restaurant, das – was auch sonst – auf Meeresfrüchte spezialisiert war. Nachdem ich erfahren hatte, dass auch in den arancini, die ich für einfache Reisklöße hielt, Fisch steckte,
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