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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
Autoren: Elizabeth Peters
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wussten wir nicht; er war zwar Abdullahs Enkel, hatte aber, von seinen Eltern verstoßen, viele Jahre lang für einen berüchtigten Antiquitätenfälscher in Luxor arbeiten müssen, bis wir ihn aus dieser misslichen Zwangslage befreiten. Nach meiner Einschätzung war er etwa ein oder zwei Jahre älter als Ramses.
    Unsere Adoptivtochter Nefret war die Dritte in diesem jugendlichen Triumvirat. Mit ihren goldblonden Haaren und einem offenen, aufrichtigen Wesen hätten sie und ihr Stiefbruder nicht gegensätzlicher sein können. Bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr war sie in einer entlegenen Oase in der westlichen Wüste aufgewachsen, wo die altägyptische Religion weiterhin praktiziert wurde. Vor etwa einem Jahrzehnt hatten wir die nicht ungefährliche Expedition in dieses Gebiet gewagt, auf der Suche nach ihren Eltern, die man dort verschollen glaubte. Von der Existenz des jungen Mädchens erfuhren wir allerdings erst, als sie eines Nachts im Gewand der Hohepriesterin der Isis vor uns erschien, ihre rotgoldenen Locken und der helle Teint ein sicheres Indiz für ihre westliche Herkunft. Ich fragte mich des Öfteren, ob sie sich noch an jene dramatische Zeit erinnerte und an Tarek, Prinz des Heiligen Bergs, der uns damals unter Einsatz seines Lebens zur Flucht nach England verholfen hatte. Sie sprach nie von ihm. War das womöglich genauso Grund zur Besorgnis?
    Davids melancholischer Blick und seine bedrückte Miene waren verständlich; er hatte sich im letzten Winter mit Emersons Nichte Lia verlobt und sah das Mädchen leider viel zu selten. Aufgrund der vorherrschenden Zwänge innerhalb der britischen Gesellschaft hatten ihre Eltern der Verbindung mit einem Ägypter ohnehin nur schweren Herzens und erst nach längerem Zögern zugestimmt. Deshalb spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken, nach Yorkshire zu reisen, um bei Walter und Evelyn Emerson ein gutes Wort für den Jungen einzulegen.
    Nefrets launischer Kater Horus versuchte wie üblich, Ramses zu ärgern, was ihm allerdings nicht gelang. Nach einer kurzen Inspektion des Zimmers legte sich das boshafte Katzenvieh schließlich seiner Herrin zu Füßen.
    Emerson gesellte sich als Letzter zu uns. Er hatte an seinem Exkavationsbericht gearbeitet, was die Tintenspritzer auf Oberhemd und Fingern eindeutig belegten. »Wo bleibt der Tee?«, wollte er wissen.
    »Wird gleich serviert. Komm, setz dich doch«, meinte Nefret und fasste lächelnd seinen Arm. Der Professor genoss es, wenn sie sich so wie jetzt rührend um ihn kümmerte (von mir hatte er in letzter Zeit ja nicht viel Zuwendung bekommen). Seine Leichenbittermiene hellte sich auf, als sie ihn in einen bequemen Sessel drückte und ihm ein Fußbänkchen unterschob. Ramses verfolgte die reizende Szene sichtlich unbeeindruckt; sobald Nefret sich auf Emersons Sessellehne hockte, setzte er sich neben David auf das Sofa, wo sie wie zwei Statuen thronten. Lag es vielleicht an der Ungewissheit über unsere künftige Planung, dass mein Sohn genauso deprimiert wirkte wie sein unsterblich verliebter Freund?
    Ich beschloss einen weiteren gnadenlosen Angriff auf Emersons Dickschädel.
    »Annie Quibell hat mir heute geschrieben«, begann ich. »Sie und James kehren in Kürze nach Kairo zurück, um ihre Arbeit für das Museum wieder aufzunehmen.«
    Emerson reagierte mit einem »Hmpf« und rührte seelenruhig Zucker in seinen Tee.
    Ich blieb unbeirrt. »Sie fragt, wann wir nach Ägypten kommen und was wir für die kommende Saison planen. James lässt dir ausrichten, dass die interessantesten Ausgrabungsgebiete schnell vergeben sind, wenn du dich nicht bald bewirbst.«
    »Ich bewerbe mich nie im Voraus«, knurrte Emerson. »Das weißt du genauso gut wie Quibell.«
    »Für die Vergangenheit mag das ja stimmen«, versetzte ich. »Aber Jahr für Jahr wird mehr Feldforschung betrieben. Stell dich den Tatsachen, Emerson. Du musst dich bei Monsieur Maspero entschuldigen, wenn du noch irgendein halbwegs passables Areal –«
    »Entschuldige, dass ich nicht lache!« Emerson knallte die Teetasse auf den Unterteller. Sie ging zu Bruch – die dritte, die er innerhalb einer Woche auf dem Gewissen hatte. »Verdammt noch mal, Maspero war im Unrecht. Er hätte diesem Chaoten Davis das Handwerk legen können, aber nein, dieser Idiot lässt ihn munter weiter in dem verfluchten Grab herumwüten.«
    Trotz der eingestreuten Kraftausdrücke und des dröhnenden Bassbaritons schien er sich seines Standpunkts nicht mehr ganz so sicher, war aber zu verbohrt,
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