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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
Autoren: Elizabeth Peters
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schließlich von Port Said lossegelten, hatten wir nicht die leiseste Ahnung, wo wir in der nächsten Saison arbeiten sollten.
    Gewiss war die Rückkehr in unsere englische Heimat Kent ein schönes Erlebnis und ich halte es auch für ungemein wichtig, stets die guten Seiten zu sehen, aber als auf den Frühling der Sommer folgte und dieser zu Ende ging, kippte auch mein Optimismus. Es regnete ständig. Die Rosen hatten Mehltau. Rose, unsere fürsorgliche Haushälterin, fing sich eine unangenehm hartnäckige Erkältung ein und lief jämmerlich schniefend durchs Haus. Unser Butler Gargery machte mich rasend mit seinen zunehmend bohrenden Fragen, ob er uns im Herbst nach Ägypten begleiten dürfe. Emerson verkroch sich in seinem Arbeitszimmer, spuckte Gift und Galle und weigerte sich, Pläne auch nur anzudenken. Er wusste, dass er im Unrecht war, hätte das aber niemals zugegeben. Zudem hatte ich ihn bei seinen Einlenkungsversuchen schnöde auflaufen lassen. Für gewöhnlich begrüße ich die kleinen Aufmerksamkeiten meines Ehemanns. Die dichten schwarzen Locken über den strahlendblauen Augen, sein athletischer Körperbau und – wie soll ich sagen? – die leidenschaftliche Verve, mit der er seinen ehelichen Pflichten nachgeht, verfehlen ihre Wirkung nie; dennoch ließ ich mich von seinem Charme nicht einwickeln.
    Gegen Ende Juli lagen die Nerven aller Genannten blank. Es regnete in einem fort, Emerson schmollte, Rose schniefte und Gargery stänkerte. »Oh Madam, Sie brauchen mich, das wissen Sie ganz genau. Wie war es denn im letzten Jahr, als ich nicht mitkommen durfte? Prompt wurden Mr Ramses und Mr David entführt und Sie von diesem Meisterverbrecher verschleppt, der arme Abdullah ermordet und –«
    »Halten Sie endlich den Mund, Gargery!«, erregte ich mich. »Servieren Sie den Tee und ersparen Sie mir Ihren Vortrag.«
    Gargery versteifte sich und musterte mich hochnäsig von oben herab. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die noch kleiner sind als er, und das nutzt er schamlos aus. »Der Tee kommt sofort, Madam«, sagte er und stakste hinaus.
    Ich werde selten laut vor Personal – offen gestanden ist Gargery der Einzige, der sich gelegentlich einen Rüffel einhandelt. Als Butler ist er eine echte Fehlbesetzung, aber seine schlummernden Talente, wie beispielsweise das zielgerichtete Schwingen eines Knüppels, hatten uns in der Vergangenheit häufiger aus der einen oder anderen Misere geholfen. Inzwischen war er jedoch nicht mehr der Jüngste und auf die neuerlichen Katastrophen hätte er sowieso keinen schlagkräftigen Einfluss nehmen können. Seufzend rieb ich mir die Augen. Es regnete mal wieder. Das Arbeitszimmer kam mir vor wie ein schaurig finsteres Verlies – meinen brütenden Gedanken nicht unähnlich.
    Die Tür sprang auf und die Stimme meiner Adoptivtochter drang an meine Ohren. »Meine Güte, bei dir ist es ja düster wie in einer Gefängniszelle. Warum sitzt du denn im Dunkeln, Tante Amelia?«
    »Gargery hat vergessen, die Beleuchtung einzuschalten«, erwiderte ich verschnupft. »Himmel noch, hoffentlich hab ich mich bei Rose nicht angesteckt! Ramses, mach doch mal bitte Licht, ja?«
    Mein Sohn drückte auf den Schalter, und als das Licht aufflammte, sah ich drei Gestalten in der Tür: Ramses, David und Nefret. Die drei waren unzertrennlich.
    Ramses hatte vor kurzem seinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Groß und breitschultrig wie sein Vater, vielleicht nicht ganz so muskulös, zog er die bewundernden Blicke zahlloser junger (und auch älterer) Frauen auf sich.
    Seit frühester Kindheit hatte er die Winter mit uns in Ägypten verbracht und sich alles Wissenswerte mehr oder weniger autodidaktisch angeeignet, zumal sein Vater ohnehin nicht viel vom englischen Schulsystem hielt. Er war ein extrem anstrengendes Kind gewesen; vorlaut, mit einem Hang zu ausufernden Monologen, hätten ihn viele am liebsten geknebelt oder gleich abgemurkst. Trotzdem hatte er sich zu einem ganz passablen jungen Mann entwickelt, sprachbegabt, wohlerzogen und (welch spätes Wunder!) schweigsam. Gelegentlich auch zu verschwiegen, vielleicht? Inzwischen verbarg er seine Emotionen hinter einer unbewegten Miene, die Nefret scherzhaft mit »steinernes Pharaonenantlitz« umschrieb. Ebendieses trug er in letzter Zeit häufiger zur Schau. Ich machte mir Sorgen um den Jungen.
    Sein bester Freund David glich ihm frappierend: der gleiche olivfarbene Teint, schwarzgelockte Haare und lang bewimperte dunkle Augen. Sein genaues Alter
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