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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
Autoren: Elizabeth Peters
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und sich über den Schreibtisch beugte.
    »Hör doch endlich auf damit. Ich weiß, dass du ständig irgendwelche Frauen abwimmeln musst, aber bestimmt gibt es auch ein paar, die nicht auf dich reagieren.
    Wie Nefret – jedenfalls bislang. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie zu tiefen Gefühlen nicht fähig ist.« Ramses wurde rot vor Ärger. »Ob du es mir glaubst oder nicht, aber so egoistisch bin ich nicht. Vielleicht hast du Recht. Hoffentlich. Aber findest du es nicht komisch, dass eine Dreiundzwanzigjährige noch kein einziges Mal verliebt war? Himmel, was glaubst du, wie viele Männer in sie verschossen sind? Sie flirtet mit ihnen, bezaubert mit ihrem Charme, schließt Freundschaften, um dann letztendlich jeden ernsthaften Kandidaten abblitzen zu lassen. Alle! Das ist nicht normal, David. Komm mir jetzt nicht mit dem Argument, ich würde nur die Hälfte erfahren. Für gewöhnlich trägt Nefret nämlich ihr Herz auf der Zunge. Das sind untrügliche Indizien für einen eifersüchtig Verliebten – wie ich es leider Gottes bin. Immerhin wissen wir nicht, was mit ihr in den Jahren vor …« Er stockte, worauf David ihn mit einem forschenden Blick bedachte. »Du meinst die Jahre, als sie bei den Missionaren im Sudan lebte? Was soll schon passiert sein, in deren strenger Obhut?«
    Das war die offizielle Version, auf die sich die Emersons mit Nefrets Rückkehr nach England geeinigt hatten. Nicht einmal David hatte Ramses die wahre Geschichte enthüllt – von der Vergessenen Oase mit ihrem eigentümlichen Gemisch aus altägyptischen und meroitischen Kulturen und von Nefrets Rolle als Hohepriesterin einer heidnischen Göttin. Genau wie seine Eltern hatte er sich geschworen, die Existenz dieser Oase geheim zu halten.
    »Da liegst du völlig falsch.« David lehnte sich an den Schreibtisch und streckte die langen Beine aus, sein Gesicht ernst. »Ich glaube, in diesem Fall kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich sie besser einzuschätzen weiß als du. Ich hatte die gleichen Probleme wie sie, musste mich praktisch aus dem Stand von einem zerlumpten, halb verhungerten Leibeigenen in einen properen jungen englischen Gentleman verwandeln.« Er lachte. »Manchmal dachte ich, es bringt mich um.«
    »Du hast dich nie beschwert. Mir ist auch nie etwas aufgefallen an dir.«
    »Wieso sollte ich mich beschweren? Ich musste mich öfter waschen als früher, durfte nicht mehr auf den Boden spucken oder fluchen und halb nackt herumlaufen, aber wenigstens war mir eure Lebensart vertraut und ich hatte meine eigene Familie. Kannst du dir nicht vorstellen, um wie vieles schwieriger es für Nefret gewesen sein muss? Aufgewachsen in einem Eingeborenendorf, völlig abgeschnitten von den Segnungen der Zivilisation … Das war bestimmt ein Kulturschock für sie – vom primitivsten Nubien ins moderne England katapultiert – und das von jetzt auf gleich. Vielleicht ging das nur, indem sie die Erinnerungen an die Vergangenheit verdrängte.«
    »So hab ich das nie gesehen«, räumte der junge Emer son ein.
    »Nein, du siehst nur ihre – äh – feminine Erotik. Wenn ich das mal so sagen darf.«
    »Klingt doch gut.« Ramses amüsierte sich über Davids erkennbare Bestürzung. »Vermutlich überziehst du ein bisschen mit der Rolle des englischen Gentleman, David.
    Letztlich hast du sicher Recht, aber das nützt mir herzlich wenig. Eine vorübergehende Trennung von ihr hilft mir, mit meinen Gefühlen ins Reine zu kommen.«
    »Vielleicht verliebst du dich ja in eine andere«, flachste David. »In ein hübsches kleines Fräulein mit semmelblonden Zöpfen und den entsprechenden Kurven und …
    Schon gut, schon gut, ich hör auf. Aber denk mal ernsthaft über meine Worte nach.«
    Ramses stellte die Vase ab, die er scherzhaft drohend in der Hand schwenkte, und setzte sich seufzend auf den Bettrand. Unwillkürlich hatten Davids Worte die Geschichte wieder wachgerufen – das wohl verrückteste Abenteuer seines Lebens. Sie sprachen nie darüber, aber er dachte oft daran. Schließlich erinnerte ihn der Anblick von Nefret noch jedes Mal daran, wie sie zu ihnen gekommen war.

    In jenem Herbst hatten sie Ausgrabungen im Sudan geplant. Dieses Gebiet im Süden Ägyptens, vom Zweiten Katarakt bis zum Zusammenfluss von Blauem und Weißem Nil, hatten zehn Jahre lang der Mahdi und seine Nachfolger beherrscht – religiöse Fanatiker und Reformer. Die Europäer, die nicht hatten fliehen können, wurden eingekerkert oder getötet, genau wie etliche
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