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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
Autoren: Elizabeth Peters
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sich in der Sprache der Heiligen Stadt.«
    »Der entlegenen Oase?« Ramses spielte auf Zeit.
    »Wir nennen sie die Stadt des Heiligen Berges.« Die Worte und wie Nefret sie betonte warnten Ramses, dass er sich auf kritischem Terrain bewegte. Sie hielt den Kopf gesenkt und straffte die Schultern, als rechnete sie mit ironischem Lachen oder Skepsis. Beiläufig meinte er: »Ich weiß. Was sagte die Stimme?«
    »Ich hab nicht jedes Wort verstanden. Nach meiner Einschätzung klang es wie eine Begrüßungsformel.« Sie sah auf. »Du nimmst mir das ab? Du hältst das nicht für Einbildung?«
    »Na ja, ich glaube nicht, dass du das Ka des armen Tabirka gehört hast, das dich aus dem Jenseits ruft. Und du glaubst bestimmt auch nicht an solchen Unsinn. Vielleicht wollte dir jemand einen Streich spielen.«
    »Aber natürlich, das ist es.« Nefret atmete erleichtert auf. »Das ist die logische Erklärung, nicht? Aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie unheimlich das war, Ramses. Ich hab auf der Stelle Fersengeld gegeben. Ich … ich lauf normalerweise nicht weg, das weißt du.«
    »Klar weiß ich das.«
    Sie erwiderte sein Lächeln mit einem so aufrichtig dankbaren Blick, dass er sich wie ein mieser Hund vorkam. Hatte er sich wirklich so blöd verhalten, dass sie sich scheute, zu ihm zu kommen? Trotzdem hatte sie sich ihm anvertraut und nicht seiner Mutter oder seinem Vater; das war immerhin positiv und er hatte gottlob den richtigen Einfall.
    »Komm, sehen wir uns das mal zusammen an.« Er hielt ihr eine Hand hin. »Der Bursche hält sich womöglich noch irgendwo in der Nähe auf. Vielleicht hat er Spuren hinterlassen.«
    »Danke, mein Junge.« Sie fasste seine Hand und drückte diese impulsiv. »Dass du mir glaubst.«
    Ramses entzog sie ihr sanft. »Wir machen einen Spaziergang, einverstanden? Es ist nicht weit bis dorthin und zu Fuß können wir uns leiser anpirschen.«
    Hohe Ulmen säumten den schmalen Waldweg, ihre belaubten Äste starr und reglos in der Nachmittagshitze. Während ihres Spaziergangs verdunkelte sich der Himmel bedrohlich. Es braute sich wieder einmal ein Unwetter zusammen; Wolkenberge türmten sich hoch über ihnen auf. Die Lichtung mutete irgendwie gespenstisch an, besonders bei einer solchen Witterung, zumal das eigenwillige kleine Grabmal im kuschitischen Stil erbaut und damit spitzer und steiler war als ägyptische Pyramiden. Nur wenige wussten von seiner Existenz, manche Leute hielten es schlicht für den Nachbau eines historischen Monuments, wie es sich ägyptenbegeisterte Adlige gelegentlich errichten ließen. Auf einer Seite befand sich ein kleinerer Schrein, der eine Opferkapelle symbolisierte. Ramses hatte die Hieroglypheninschrift selbst eingemeißelt, die den Namen des verstorbenen Jungen und seine Titel sowie eine kurze Fürbitte enthielt, um die Gottheiten gnädig in ihrem Urteil zu stimmen. Tabirka hatte eine unbeschwerte Reise in die andere Welt verdient. Er war von Nefrets Cousin ermordet worden, der ihre Rückkehr mit allen Mitteln zu verhindern versucht hatte, damit sie sein Erbe nicht in Gefahr brachte.
    Ramses ging nicht davon aus, dass sie irgendetwas Aufschlussreiches finden würden. Nefret hatte vermutlich ein bisschen vor sich hin geträumt und in ihrer entrückten Stimmung den Laut eines Tiers oder eines Vogels missinterpretiert. So traf es ihn völlig überraschend, als jemand ihn brutal zu Boden stürzte und sich auf ihn warf. Sich unter dem Gewicht des Angreifers windend, starrte Ramses in das dunkle Gesicht, das sich über ihm erhob. Es verzerrte sich zu einem breiten, schauerlichen Grinsen, Hände griffen ihm an die Kehle. Nefret brüllte aus Leibeskräften, während sie den Rücken des Burschen mit einem Ast traktierte. Das blieb jedoch ohne Wirkung. Mühsam presste Ramses hervor: »Aus dem Weg!« In diesem Moment riss er die Hände hoch, schlug die Arme des Fremden weg, rammte ihm einen Ellbogen unters Kinn und rollte ihn auf den Rücken. Dann rappelte er sich auf. Nefret ließ den Ast sinken.
    »Gut gemacht, mein Junge«, sagte sie atemlos. »Danke.« Ramses stand breitbeinig über seinem Gegner und behielt jede verdächtige Bewegung im Auge. Der Kerl rieb sich grinsend die Kehle und sein sehniger Körper war total entspannt. Mit seiner dunklen Haut und der bizarren Kostümierung – er hatte lediglich ein kiltähnliches Kleidungsstück um die Hüften gewickelt, war er in den englischen Wäldern so fehl am Platz wie eine Nachtigall in einem Taubenschlag. Irgendwie kam
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