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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
Autoren: Elizabeth Peters
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hatte man ihn mit dunkelroten Rosen und grünen Blättern aus Seide geschmückt; die tristen, reiferen Ehefrauen zugedachten Farben passen nicht zu meinem hellen Teint und meinem pechschwarzen Haar, und ich sehe keinerlei Veranlassung für die Unterwerfung gegenüber einer unvorteilhaften Mode. Außerdem ist Rot Emersons Lieblingsfarbe. Als ich die letzte Hutnadel befestigte, tauchte sein Gesicht neben mir im Spiegel auf. Da er gut und gern 1,80 Meter groß ist und ich um einiges kleiner, mußte er sich hinunterbeugen. Den Vorteil unserer unmittelbaren Nähe (und Gargerys Position im Hintergrund) ausnutzend, tätschelte er mich verstohlen und meinte fröhlich: »So ist es. Nun denn, meine Liebe, viel Spaß. Solltest du zum Tee noch nicht zurück sein, werde ich das Polizeirevier aufsuchen und dich dort rausboxen.«
    »Komm aber nicht vor sieben«, sagte ich. »Ich hoffe, daß man mich offiziell abführt – vielleicht sogar mit Handschellen.« Mit gedämpfter Stimme bemerkte Gargery: »Den Kerl möchte ich sehen, dem das gelingt.«
    »Ich auch«, sagte mein Gatte.
    Es war ein typischer Novembertag in meinem geliebten alten London – naß, kalt und neblig. Wir waren erst vor einer Woche von Kent angereist, da Emerson im Britischen Museum bestimmte Quellen zu Rate ziehen wollte. Unser derzeitiger Aufenthaltsort war Chalfont House, das Stadthaus von Emersons Bruder Walter und dessen Frau Evelyn, die das Anwesen von ihrem Großvater geerbt hatte. Die jüngeren Mitglieder der Familie Emerson zogen ihren Landsitz in Yorkshire vor, doch uns stand Chalfont House jederzeit offen, wenn wir in London weilten.
    Obgleich ich das rege, geschäftige Treiben in der Hauptstadt genieße, ist Ägypten mein eigentliches Zuhause, und als ich die ungesunde, mit Kohlenstaub angereicherte feuchte Luft einatmete, dachte ich wehmütig an den klaren blauen Himmel, das warme, trockene Klima und an die Faszination einer weiteren Ausgrabungssaison. In diesem Jahr fand unsere Abreise etwas später statt als üblich, doch diese Verzögerung, die in erster Linie auf Emersons säumiger Fertigstellung seines Buches beruhte, gab mir die Gelegenheit, eine mir am Herzen liegende Sache zu vertreten, und deshalb ging ich beflügelt weiter, meinen unverzichtbaren Sonnenschirm in der einen, meine Ketten in der anderen Hand. Obgleich ich immer die Position einer vehementen Verfechterin des Frauenwahlrechts vertreten hatte, verhinderte mein berufliches Engagement eine aktive Teilnahme an der Frauenbewegung. Nicht daß die Bewegung sonderlich aktiv oder effektiv gewesen wäre. Fast jedes Jahr wurde dem Parlament eine Petition für das Frauenwahlrecht vorgelegt, die letztlich überstimmt, wenn nicht sogar ignoriert wurde. Politiker und Staatsmänner hatten ihre Unterstützung versprochen und sie dann nicht eingehalten. Seit kurzem wehte allerdings frischer Wind in London. Von einer gewissen Mrs. Emmeline Pankhurst und ihren beiden Töchtern war in Manchester die sozialpolitische Frauenunion gegründet worden. Zu Beginn des Jahres hatten sie – meiner Meinung nach recht sinnvoll – entschieden, die Tätigkeit ihrer Organisation ins Zentrum des politischen Geschehens zu verlagern. Ich hatte Mrs. Pankhurst bei mehreren Gelegenheiten getroffen, jedoch erst, nachdem die entsetzlichen Vorkommnisse vom 23. Oktober tiefste Entrüstung in mir ausgelöst hatten, mit ihr und ihrer Vereinigung sympathisiert. Anläßlich einer friedlichen Demonstration vor dem Parlament zwecks Durchsetzung ihrer Ansichten und Erwartungen hatte man die Frauen gewaltsam aus dieser Bastion männlicher Überheblichkeit entfernt – fortgezerrt, zu Boden geworfen und verhaftet! Miss Sylvia Pankhurst weilte – gemeinsam mit einigen anderen Gesinnungsgenossinnen – immer noch im Gefängnis. Als ich Wind von der anstehenden Demonstration bekam, beschloß ich, die Inhaftierten und ihre Bewegung zu unterstützen.
    Genaugenommen hatte ich mich einer leichten Irreführung schuldig gemacht, als ich Emerson erklärte, daß ich zur Downing Street wollte. Ich befürchtete, daß er mir aus Langeweile oder Sorge um meine Sicherheit folgen könnte. Die sozialpolitische Frauenunion hatte sich nämlich entschieden, vor dem Haus von Mr. Geoffrey Romer in der Charles Street unweit vom Berkeley Square zu demonstrieren.
    Neben Mr. Asquith, dem Finanzminister, zählte dieses Individuum zu unseren vehementesten und effizientesten Widersachern im Unterhaus; er war ein charismatischer und eloquenter Redner mit
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