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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Autoren: Elizabeth Peters
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Angehörigen dieses Geschlechts verursacht wurde, ist das kein Vorurteil, sondern eine schlichte Tatsache. Angefangen mit meinem geschätzten, aber entsetzlich geistesabwesenden Vater und fünf abscheulichen Brüdern über diverse Mörder, Einbrecher und Halunken nehme ich selbst meinen eigenen Sohn nicht aus. Wenn ich Buch führte, würde Walter Peabody Emerson, Freund und Feind gleichermaßen als Ramses bekannt, als eindeutiger Hauptverursacher für das gleichbleibend hohe Maß meiner Empörung hervorgehen.
    Man muß Ramses kennen, um ihn zu schätzen. (Ich verwende dieses Verb, weil ich damit nicht unbedingt warmherzige oder enge Zuneigung zum Ausdruck bringen will). Über sein äußeres Erscheinungsbild kann ich mich nicht beklagen, denn ich bin keineswegs so engstirnig zu glauben, daß die Hautfarbe der Angelsachsen dem olivfarbenen Teint und den schwarzen Locken der Bewohner des östlichen Mittelmeerraums, denen Ramses (seltsamerweise) stark ähnelt, überlegen ist. Seine Intelligenz läßt im großen und ganzen ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Ich war davon ausgegangen, daß ein Kind von Emerson und mir über herausragende Intelligenz verfügen würde; dennoch gebe ich zu, nicht damit gerechnet zu haben, daß diese solch außergewöhnliche Formen annehmen könnte. Ramses war ein jugendliches Sprachgenie. Noch vor seinem achten Geburtstag war ihm die Hieroglyphenschrift der alten Ägypter geläufig; Arabisch sprach er mit einer erschreckenden Gewandtheit (das Adjektiv bezieht sich auf gewisse Elemente seines Wortschatzes), und selbst der Umgang mit seiner Muttersprache war schon in jungen Jahren von einem Bombast gekennzeichnet, der eher zu einem betagten Wissenschaftler als einem kleinen Jungen gepaßt hätte.
    Dieses Talent führte häufig dazu, Ramses fälschlicherweise auch auf anderen Gebieten für einen Überflieger zu halten. (»Entsetzlich altklug« lautete die Umschreibung vieler, die Ramses nichtsahnend über den Weg liefen.) Nun ja, genau wie der junge Mozart besaß er eine außergewöhnliche Begabung – ein so bemerkenswertes Gehör für Sprachen wie das des Komponisten für Musik – und lag auf anderen Gebieten, wenn überhaupt, sogar noch unter dem Mittelmaß. (Ich muß den informierten Leser nicht auf Mozarts unglückliche Ehe und seinen erbarmungswürdigen Tod hinweisen.)
    Ramses hatte seine liebenswerten Seiten. Er mochte Tiere – oftmals sogar so sehr, daß er in Käfigen gehaltene Vögel und angekettete Hunde freiließ, weil er das für eine grausame und unangemessene Form der Bestrafung hielt. Er wurde ständig gebissen und gekratzt (einmal von einem jungen Löwen), und die Besitzer der besagten Geschöpfe setzten sich häufig dagegen zur Wehr, was ihrer Meinung nach an eine Form des Einbruchdiebstahls grenzte.
    Wie schon erwähnt, besaß Ramses einige positive Eigenschaften. Ihm fehlte jedes Vorurteil für Klassenunterschiede.
    Um genau zu sein, zog der kleine Gauner es vor, mit den ungebildetsten Ägyptern im Souk obszöne Geschichten auszutauschen, statt mit gleichaltrigen englischen Mädchen und Jungen zu spielen. Barfuß und mit zerlumpter Galabiya war er wesentlich glücklicher als in seinem hübschen schwarzen Samtanzug mit Rüschenhemd.
    Ramses’ positive Eigenschaften … Er widersetzte sich nur selten einem direkten Befehl, immer vorausgesetzt natürlich, daß nicht höhere moralische Überlegungen Vorrang hatten (deren Definition Ramses selbst oblag) und daß die Anweisung exakt so formuliert war, daß sie Ramses kein Schlupfloch bot. Es hätte schon der Fähigkeiten eines Staatsanwaltes oder des Ordensvorstehers der Jesuiten bedurft, um ihn festzunageln.
    Ramses’ positive Eigenschaften? Ich glaube, da war noch etwas, was mir momentan jedoch entfallen ist.
    Allerdings war es ausnahmsweise nicht Ramses, der meinen Zorn in jenem Frühjahr heraufbeschworen hatte. Nein, meinen geschätzten, von mir bewunderten und geliebten Gatten traf die Schuld.
    Emerson hatte einige stichhaltige Gründe für seinen boshaften Humor. Wir hatten in Dahschur, einem Ausgrabungsgebiet in der Nähe Kairos, gearbeitet, das die berühmtesten Pyramiden von ganz Ägypten umfaßt. Es war keineswegs einfach gewesen, den Firman (eine Exkavationsgenehmigung der Antikenverwaltung) zu bekommen, da Monsieur de Morgan, der zuständige Direktor, das Gebiet ursprünglich für sich hatte beanspruchen wollen. Warum er seine Meinung änderte, brachte ich nie in Erfahrung. In irgendeiner Weise war Ramses daran
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