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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition)
Autoren: Rafael Chirbes
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Hof und hole mir das Sarasqueta-Gewehr, den Patronengürtel und Gummistiefel und rufe den Hund in einem Ton, aus dem er entnehmen kann, dass er in den Wagen soll. Ich rufe und halte die Tür des Geländewagens offen, er springt hinein und legt sich auf den Hintersitz, beobachtet aber weiter mit wachen Augen meine Bewegungen. Er ist ein braves Tier, ein guter Jagdhund, vor allem aber ein guter Kamerad, der beste. Er legt sich in meiner Nähe in der Werkstatt nieder und verbringt so die toten Stunden, und wenn ich mich im Wohnzimmer in den Sessel setze, kommt er und drückt seinen Kopf an meinen Schenkel, als wolle er mir sagen, er stehe zur Verfügung, ich könne mich auf ihn verlassen. Ich habe nie erlebt, dass er zu irgendjemandem aggressiv gewesen wäre oder Anstalten gemacht hätte zu beißen. Knurren, das tut er, wenn irgendjemand – meistens die Katze der Nachbarin – seinem Fressnapf nahe kommt. Die Gefräßigkeit scheint sein einziger Fehler zu sein, aber die gehört ja wohl zu einem gesunden Tier. Egal wo ich mich hinstelle odersetze, er legt sich neben mich auf den Boden und achtet auf meine Bewegungen, bleibt aber ganz ruhig, bewegt nur den Schwanz oder kommt mal, um an meinem Bein vorbeizustreifen, oder er stellt sich auf die Hinterläufe, stützt die Vorderpfoten auf meinen Bauch (Ganz ruhig, oder willst du mich umwerfen?), er schaut mich an und bellt ein paar Mal, das ist seine Art, mit mir zu sprechen, Aufmerksamkeit einzufordern. Genauso bellt er, wenn er sieht, dass ich mich mit jemandem unterhalte oder ins Handy spreche, bei solchen Gelegenheiten wird sein Bellen impertinent. Er ist eifersüchtig. Wenn ich ihn zum Jagen mitnehme, rennt er vor mir her, dreht aber ständig den Kopf zu mir um, damit ja nicht der Kontakt zwischen Mann und Hund abreißt. Manchmal rast er auf einmal los, eine Beweglichkeit, über die ich immer noch staune (welche Harmonie der Glieder beim Lauf, diese wellenförmige Bewegung des Rückens). Hechelnd kommt er zurück, manchmal mit dem Tier im Maul, das ich gerade abgeschossen habe.
    Der Hund liegt hinten im Geländewagen, ich drehe den Zündschlüssel, und sofort springt der Motor an, obwohl ich schon seit einigen Tagen nicht gefahren bin. So wie Tom ein guter Hund ist, ist der Toyota ein gutes Fahrzeug. Im Sumpfgelände habe ich unvergessliche Augenblicke mit ihm erlebt, ich habe ihn in klebrige Schlammfelder gesenkt, ich bin mit ihm durch sumpfiges Wasser gefahren, im Treibsand oder, im Winter, am Strand entlang, über den Streifen Sand, auf dem die Wellen heranschäumen. Stets ist er überall ohne Schwierigkeiten wieder rausgekommen, er hat mich nie im Stich gelassen. Das ist ein ganz besonderes Gefühl, wenn ich das Lenkrad greife, es streichle. Ich freue mich an dem Wagen von dem Augenblick an, wenn ich beim Öffnen der Tür das Leder der Sitze rieche, auf die ich meinen Hintern fallen lassen werde. Ich fahre gerne: Ich streiche über das Lenkrad, und mich überkommt Schwermut, ich beginne ihn zu vermissen, ich denke, dass sich die Freude an dieser Berührung bald verflüchtigt haben wird. Das zu wissen lässt eine Welle von Leid in meiner Brust hochsteigen, meine Augenwerden feucht. Das Leben, die reinste Verschwendung, wie mein Vater sagte. Ja, alter Scheißer, ja. Das deine ist inzwischen vielfache Verschwendung, da nimmst du es mit all unseren Leben auf. Bevor ich den Wagen anließ, sah ich im Rückspiegel die aufmerksamen Hundeaugen und dachte mir, es ist ein Jammer, dass die Weisheit, die aus ihnen spricht, mit uns verschwindet, zu den Abfällen in unserem höchsteigenen Mülleimer gehört. Auch das Leben der Haustiere scheint sich nicht ökonomischen Renditeüberlegungen anzupassen. Mit allem, was du weißt, mein Hundchen, mit dem, was du gelernt hast, so behände sich deine Beine auch im Lauf bewegen und so harmonisch sich dein Rücken biegt, die Erfahrung, mit der du witterst und die Beute findest, und die Gewissenhaftigkeit, mit der du sie mir bringst – auch du wirst dich von alldem verabschieden müssen (wirst nicht mehr Teil davon sein). Was will man machen. Ich denke es, und das ist der einzige Moment, da ich, den Zündschlüssel in den Fingern und den Blick starr in den des Hundes versenkt, zaudere und weinen möchte. Dieser Scheißkerl. Der Hund.
    Der Mais wird gemahlen, dazu gibt man die roten Bohnen mit einem Lorbeerblatt, erhitzt den Hogo, sie wissen schon, diese süßscharfe Tomatensoße, dann schält man die Bananen und reibt die Yucca. Lilianas
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