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Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord
Autoren: Theodor Mügge
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Kasten gefüllt, die das Notwendigste enthielten, was er in der Einsamkeit seines neuen Wohnortes zu brauchen dachte. Eine Nordlandsjacht, die von Bergen ausgelaufen war, sollte ihm Möbel aller Art und mancherlei Luxusgegenstände, sein Haus auszustatten, nachliefern.
Hier saß er nun halb liegend auf dem schmalen Deck, einige Bücher neben sich und zwischen denselben eine halbgeleerte Flasche, aus der er dann und wann einen Zug tat. Die Quallen, dachte er für sich, sind in ihrer Art die Landrichter und Vögte des Meeres. Es gibt viel stärkere und größere Geschöpfe darin, aber keines vergreift sich so leicht an ihnen. Vögel und Fische fliehen ihre Berührung ebenso wie die Menschen, denn jeder wird gebrannt, der ihnen zu nahe kommt. Sie aber rudern mit ihren langen gefingerten Armen unbekümmert durch die Wellen. Das ganze Ding ist nichts als Magen! Alles, was sie greifen können, halten sie fest, was sie berühren, wird ihre Beute, wird in den Magen gepackt und muß lassen, was es besitzt. Unter solchen Gedanken schaute er nach dem Himmel hinauf und rief mit einem kräftigen Fluch: »Gott mag es wissen, wie ich hier leben soll! Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht am liebsten in die Luft hinaufblicke, um von diesem verwünschten Lande nichts zu sehen! Felsen, Klippen, brandende Wasser, nach Fischtran stinkende Fischer und gaunernde Krämer – das soll deine Gesellschaft sein, Lars Stureson! Wann und wie sollst du davon erlöst werden?«
Indessen war Bewegung in das Boot gekommen. Leise Wellen begannen es zu schaukeln, ein Wind flog kühl über das Wasser hin und zog krause Katzenpfoten – wie die Schiffer es nennen – darauf zusammen. Die Sonne neigte sich dabei tief dem Westen zu, der eine feurige Röte ausstrahlte, welche an allen hohen Bergen und Spitzen glühte.
Der Landrichter zog seine Uhr: es war in der zehnten Abendstunde. In den langen Sommertagen geht hier die Sonne wochenlang nicht unter den Horizont, und die Nacht ist nur eine Dämmerung von wenigen Stunden. Aber mit ihr kam nun die Strömung der Ebbe aus den Fjorden und Sunden dem Boot entgegen und versetzte es in schwankende Bewegung. Die Ruderer strengten alle Kräfte an und brachten das Boot dicht an die Küste, jedoch in dem enger werdenden Kanal, der Senjenöe vom Festland trennt, wurde die Strömung heftiger und der Wind schärfer. Mit mühevoller Arbeit war doch nur geringes Weiterkommen zu merken, und als der Landrichter eine Weile zugeschaut hatte und sah, wie die brennende Röte an den Bergspitzen abnahm, während blaue Schatten aus den Schluchten langsam heraufkletterten, konnte er sich nicht enthalten, eine Frage an die Schiffsleute zu richten.
»Es wird spät«, rief er hinunter, »wir kommen langsam vorwärts!«
»Wind und Strömung gegen uns, Herr«, antwortete einer.
»Und wie weit noch nach Lenvig?«
»Zwei Meilen«, sagte der Mann. »Werden sie schwer schaffen, ehe die Flut kommt.«
Der Reisende sah die unwirtliche Küste an; nirgends war die Spur einer Menschenwohnung zu entdecken, und offenbar hatte er wenig Lust, die Stunden der Nacht, so mild und hell sie war, im Freien zuzubringen.
»Ist keine Handelsstelle in der Nähe?« fragte er.
Es war, als hätten die müden Ruderer nur auf diese Frage gewartet. »Ja, Herr, ja!« riefen sie zusammen. »Ein wenig mehr herauf liegt Christie Hvalands Stelle.«
»Eine feine Stelle, Herr«, fügte der Führer des Bootes hinzu, »Christie Hvaland ist ein guter und angesehener Mann, der fünf Jachten nach Bergen schickt.«
»So wird er uns einen Platz an seinem Herde gönnen«, sagte Stureson »Fahrt zu, Leute, je eher wir hinkommen, je besser.«
Mit diesem Bescheide kam vermehrte Kraft in die Ruderer, und als der letzte Schimmer zerrann, lag das Haus des Kaufmanns in der Tiefe einer Bucht vor ihnen.
Malerisch genug sah es aus, obwohl es ein Balkenhaus war, wie alle diese Häuser sind. Aber es lag von einem Halbkreis weißlicher Felsen im Rücken geschützt, die ihre kahlen Spitzen über ein üppig dichtes Buschwerk von Birken hervorstreckten. Der Raum bis zum Meere mochte kaum hundert Schritte betragen, doch war er mit einem dichten Grasteppich bedeckt, und an der einen Seite des langen Blockhauses kündigte ein umzäunter Platz sogar die Anlage eines Gärtchens an. Packhäuser erhoben sich auf Pfahlwerken aus dem Meere, einige von den seltsamen hochschnäbeligen Nordlandsjachten lagen vor ihnen, an der Ufertreppe schaukelten große Boote neben kleineren, und oben auf dem
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