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Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord
Autoren: Theodor Mügge
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ekelhaften Wesen, plündert sie aus, verhöhnt sie und füllt ihre Herzen mit rachsüchtiger Bosheit und verschlagener Lüge?«
»Uff!« rief Hvaland, den Kopf schüttelnd und ihn listig anblinzelnd, »muß niemand mit Euch streiten wollen, Propst Stockfleth! Meinetwegen bessert an dem Volke, soviel Ihr könnt, es wird wenigstens nichts schaden.«
»Aber auch nichts helfen, wie ich die Sache betrachte«, fiel der Sorenskriver ein. »Ein Volk, so heruntergekommen, wandernd mit den ewig wandernden Rentieren, kaum noch zehntausend Köpfe stark, ohne Sinn für Zivilisation und festen Wohnsitz, ohne Sinn für Ackerbau und Arbeit, ein Nomadenvolk, so roh und schmutzig wie dieses, und obenein fünfzehn verschiedene Dialekte redend, kann wohl Gegenstand des Mitleids und philanthropischer oder religiöser Bemühungen sein, aber nimmermehr zu gedeihlicher Entwicklung gelangen.«
»Ja, das sagt man«, entgegnete der Missionar in seiner sanften Weise. »So steht es in Büchern und Schriften, die oft schon ihren Spott über mich ausgegossen haben, und so sprechen die klugen Leute hier im Lande, welche verdammen, was ihnen nicht gefällt. Aber Gott hat allen seinen Geschöpfen Leben gegeben! Sie kennen die Menschen noch nicht, über welche Sie Ihr Urteil fällen, Herr Stureson; Sie werden sie kennenlernen und finden, daß vieles für ihre Rettung geschehen kann, was nicht mit dem Namen philanthropische Schwärmerei belegt werden darf. Ich weiß nichts von ihrer Falschheit, ihrer Raubsucht, ihrer Tücke, obwohl ich unbewaffnet und allein in die wilden Wüsten gehe. Das macht, weil sie wissen, daß ich ihr Freund bin, ihnen Gutes tue, soviel ich kann, und sie schütze, soviel ich es vermag!«
»Nun«, rief der Kaufmann dazwischen, »ich will niemandem raten, das Kunststück nachzumachen, sich hineinzuwagen in das Reich dieser unermeßlichen Wildnisse, wo kein Weg ist, kein Haus steht, kein Gesetz gilt auf viele hundert Meilen! Eines Lappen Kugel verfehlt selten ihr Ziel, und eines Lappen Büchse hat manchen schon kaltgemacht, der zuviel vertraute. Es ist ein unverbesserliches Volk, das nur durch Furcht und strenge Zucht gezähmt werden kann. Das ist meine Meinung, Propst Stockfleth, ich habe sie niemals verhehlt, und wenige gute Leute denken anders darüber.«
»Die guten Leute!« sagte der Missionar traurig, »ja, das ist es eben! Aber Sie sollten nicht so sprechen, Christie Hvaland. Sie haben ja dicht in Ihrer Nähe ein Beispiel, wie viel durch Lehre und Erziehung geschehen kann.«
»Damit meint Ihr den Schulmeister, Propst?« rief Hvaland.
»Wir haben vorher schon von ihm gesprochen. Sage nichts Böses von ihm – aber eine Schwalbe macht keinen Sommer, und ein Beispiel ist kein Beispiel! – Da ist er«, fuhr er fort, »und Mary. Komm herein, Mary, und laß dich sehen!«
Er saß der Tür zugewandt und hatte gesehen, daß diese leise geöffnet wurde. Gleich darauf trat ein junges Mädchen herein, das mit einiger Überwindung ihrer Schüchternheit sich verbeugte und lächelnd näherte, während der Mann, der sie begleitet hatte, bescheiden an der Tür stehen blieb.
»Meine liebe Tochter«, sagte der Propst, dem sie die Hand reichte, »Segen über dein Haupt! Ich freue mich, Sie so gesund und blühend wiederzufinden.«
»Mary ist gewachsen!« rief der Vater frohgelaunt. »Die Luft am Senjenöesund ist was wert, Propst, blühen Rosen und Nelken darin auf!«
Er deutete lachend mit der Spitze seiner Pfeife auf das gerötete Gesicht des jungen Mädchens, und während der Missionar weiter mit ihr sprach, hatte der Landrichter Zeit genug, sie zu betrachten. Er fand die Tochter des Fischhändlers und Krämers so übel nicht, obwohl sie keine besondere Schönheit war, die in der großen Welt Aufsehen erregt hätte. Aber hier in der Nähe des siebzigsten Grades, bei den glitzernden Lederjacken und Pelzhemden halbwilder Barbaren war sie eine angenehme, anziehende Erscheinung, die ihn an Zivilisation und Geschmack gesitteter Menschen erinnerte.
Ihr glänzend braunes Haar fiel in tiefen Scheiteln auf ein Gesicht mit freundlichen, fast kindlichen Zügen. Braune Augen, die groß und klar leuchteten, wagten sich nicht recht hervor dem fremden Herrn gegenüber, den sie dann und wann forschend ansah. Es war Leben und Bewegung in ihren Mienen, ihre Fragen und Antworten bezeugten einen gewissen Grad von Bildung; sie drückte sich in einer Sprache und in Formen und Wendungen aus, die in guter Gesellschaft üblich sind oder, wie Stureson sich sagte,
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