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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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davon, als könne es nichts Dringenderes geben. Rhia musste trotz allem lächeln.
    Nachdem Hannah gegangen war, sah Rhia zu ihrer Staffelei hinüber. Sie durchquerte den Raum und nahm seufzend ihren Pinsel in die Hand. Das Motiv, ein Arrangement aus Calendula in Orange und Gelb, war immer noch schief. Aber wenn sie das in Ordnung brachte, würde vielleicht auch alles andere wieder gut werden. Sie würde aufbleiben, bis ihr Vater heimkam, und dann würden sie sich wieder versöhnen. Sie würde nicht im Streit zu Bett gehen.
    Beim Klang von Hannahs Stimme löste sich der sichere Kokon des Schlafes auf. Blinzelnd öffnete Rhia die Augen. Sie lag immer noch auf dem Chesterfield-Sofa, und Hannah, die nach Zahnpulver und Glyzerin roch, beugte sich über sie. »Es brennt«, keuchte das Dienstmädchen. Der Kerzenhalter in ihrer pummeligen Hand kippte gefährlich, so dass die Flamme flackerte und nervöse Schatten an die Wände warf. Soweit Rhia erkennen konnte, handelte es sich dabei um das einzige Feuer in Sichtweite.
    Sie schwang die Füße vom Sofa und erwischte dabei Hannah in den Kniekehlen. Das Dienstmädchen klammerte sich an die Armlehne, um nicht umzufallen.
    Wenn es brannte, sollte es dann nicht eigentlich auch Rauch geben? Rhia stolperte zur Tür, während Hannah ihr Gleichgewicht wiederfand. Sie sollte sich an irgendetwas erinnern, aber was war das nur? Auch im Korridor war kein Rauch. Es musste sich um einen Traum handeln. »Wo, Hannah? Wo ist das Feuer?«
    »Nein, nein, nicht im Haus«, rief Hannah, die ihr gefolgt war. »Die Fäkaliensammler haben es am Merchant’s Quay am Hafen gesehen.« Das Lager! Rhia rannte im dunklen Hausflur zur Treppe, obwohl sie selbst nicht genau wusste, weshalb. Stiefel? In der Dunkelheit stieß sie gegen das Treppengeländer, schlug sich den Kopf an und fluchte laut. Sie würde auf Stiefel verzichten.
    Hannah hetzte hinter ihr her, wobei sich ihr Nachthemd wie ein Segel bauschte.
    »Ich habe Tom gesagt, dass er anspannen soll, und sein Bruder hat das Pferd genommen, um Ihre Ma zu holen. Vergessen Sie Ihren Mantel nicht, Miss! Und wo sind Ihre verflixten Stiefel? Gütiger Himmel, und Mr Mahoney ist noch nicht zu Hause!«
    Rhia hielt abrupt inne. Das war es, an was sie sich erinnern sollte. Sie hatte auf ihren Vater warten wollen. »Wie spät ist es, Hannah?«
    Hannah wusste es nicht, aber sie hatte die Stiefel gefunden und folgte Rhia in den Flur wieder hinunter, währenddessen sie aufgeregt plapperte. Rhia solle sich keine Sorgen machen, ihr Dad sei bestimmt noch in seinem Club, er würde doch nicht nach der nächtlichen Fäkaliensammlung noch am Kai sein, oder? Und sie solle doch bitte ihre Stiefel anziehen, immerhin war es der erste November.
    Rhia stand neben der Haustür und fummelte an der Schnalle ihres alten roten Umhangs herum. Es blieb keine Zeit, um Stiefel zuzuschnüren. Natürlich war er noch im Club. Bestimmt spielte er gerade eine Partie Cribbage oder sprach über die neuen Webstühle. Wahrscheinlich hatte er sich noch einen Brandy genehmigt, weil seine Tochter nun doch keinen Teehändler heiraten würde.
    Tom hatte den Zweisitzer angeschirrt, die Pferde tänzelten unruhig auf der Stelle und schnaubten nervös. Ihr Atem wehte wie Nebel hinter ihnen her. Der Stallbursche sah verschlafen aus, und seine blonden Haare unter der Kappe waren zerzaust. Er stank nach schwarzgebranntem Whiskey. Als Rhia zu ihm hinaufkletterte, nickte er ihr kurz zu und schnalzte sofort mit den Zügeln, noch ehe sie richtig saß. Die Pferde schossen los, und sie klammerte sich an die Kutscherdecke, um nicht rücklings herunterzufallen und um ihre Hände zu beruhigen. Schließlich versuchte sie, sich an ein Gebet zu erinnern.
    Der Wagen wäre beinahe umgekippt, als sie durch das St. Auden’s Tor ratterten und an der St. Patrick’s Cathedral vorbeikamen. Rhia sah zur Kathedrale hinüber. Würde St. Patrick jemandem wie ihr Gehör schenken? Rette das Lagerhaus, und ich werde nie mehr fluchen. War das genug? Außerdem werde ich beten.
    Inzwischen fuhren sie mit einer kaum mehr zu kontrollierenden Geschwindigkeit. Rhia warf Tom einen Seitenblick zu. Er saß nach vorn gebeugt und genoss die wilde Fahrt. Der Stallbursche lenkte die Pferde gern wie ein Wahnsinniger, selbst wenn er nicht getrunken hatte. Wahrscheinlich hätte sie ihm die Zügel aus der Hand nehmen sollen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es besser gemacht hätte. Die Stute war nervös und hatte die Ohren angelegt.
    »Langsamer,
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