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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Freundin und deren dämlichem Macker. Und hat den beiden Gott weiß was auf die Nase gebunden …
    Er starrt auf die Windschutzscheibe und plant sein Vorgehen. Seine große Stärke besteht darin, die Dinge systematisch anzugehen. Unüberlegte Spontanaktionen gibt es bei ihm nicht.
    Als sein Plan steht und er sich wieder voll und ganz im Griff hat, lässt er den Motor an, fährt hundert Meter weiter und stellt das Auto ab.
    Er nähert sich dem Haus über den Heckenweg, von der Gartenseite her.
    Im Schutz eines Gebüschs zieht er die Pistole aus der Innentasche seiner Jacke und versieht die Waffe mit einem Schalldämpfer. Dann öffnet er die Gartentür und geht auf das Haus zu.

1
    Wenn sie gewusst hätte, was auf sie zukommt, hätte sie sich einen Plan zurechtgelegt. Nathalie ärgert sich über sich selbst, weil sie nicht daran gedacht hat. Schließlich war abzusehen, dass sie irgendwann Hals über Kopf fliehen müsste.
    Während sie auf der Autobahn dahinrast, überlegt sie, ob sie alles richtig gemacht hat. Das Nötigste dürfte sie mitgenommen haben – Kleidung zum Wechseln, ein paar Toilettenartikel, die Autopapiere, das gesamte Schwarzgeld aus dem Tresor und ihren Laptop.
    Viel mehr hätte sie auch nicht mitnehmen können, der Rest besteht aus Robbies Sachen, aus Fläschchen, Milchpulver, Schnuller, Windeln, Babykleidung und was man sonst noch so für ein sieben Monate altes Kind braucht.
    Im Nachhinein staunt sie selbst darüber, wie entschlossen sie die Tasche geschultert und Robbie von der Couch genommen hat, um das Haus zu verlassen. Ein letzter Blick auf den reglos am Boden liegenden Vincent hatte genügt, um ihr klarzumachen, dass sie schleunigst verschwinden sollte.
    Sein Alfa stand vollgetankt vor dem Haus. Hastig legte sie Robbie auf eine Decke im Fußraum vor dem Beifahrersitz und platzierte rechts und links von ihm je eine Tasche, damit er sich während der Fahrt nicht irgendwo stieß. Robbie nuckelte zufrieden an seinem Schnuller.
    Einen Kindersitz hat sie nicht, weil sie mit dem Kleinen nur selten das Haus verließ. Wenn sie überhaupt einmal ausging, dann ohne Robbie.
    Sie verstaute ihr Gepäck auf dem Rücksitz, setzte sich ans Steuer und atmete mehrmals tief durch, um sich wieder zu be ruhigen. Trotzdem zitterte ihre Hand, als sie den Motor anließ. Langsam wich sie den Schlaglöchern auf dem Hof aus, und als sie auf die Landstraße fuhr, war ihr bewusst, dass dies ein entscheidender Moment in ihrem Leben war.
    Jetzt ist Nathalie unterwegs nach Deutschland. Sie braucht einen sicheren Ort, an dem sie für eine Weile untertauchen und ihre Gedanken ordnen kann. Erst hatte sie es bei Kristien versucht, der einzigen Freundin, die ihr noch geblieben ist. Aber Kristien war nicht bereit gewesen, sie auch nur für eine Nacht aufzunehmen, wollte sie anfangs sogar an der Haustür abfertigen.
    »Du hier?«, sagte sie verwundert.
    Nathalie hatte Robbie im Auto gelassen und ihm den Schlüsselbund zum Spielen gegeben. Sie wollte nicht gleich mit dem Kind aufkreuzen.
    »Hallo, Kristien.« Leicht verlegen lächelte sie ihre Freundin an. »Es ist eine ganze Weile her, dass wir uns das letzte Mal ge sehen haben.«
    »Das kannst du laut sagen.« Statt sie ins Haus zu bitten, stellte Kristien sich breitbeinig in die Türöffnung, als fürchtete sie, Nathalie könnte versuchen, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen.
    »Ich … äh … Darf ich kurz reinkommen?«
    Mit sichtbarem Widerwillen gab Kristien ihrer Bitte nach.
    Kristiens Freund Ruud stand von der Couch auf, reichte Nathalie die Hand, verließ dann aber gleich das Wohnzimmer, damit sie ungestört miteinander reden konnten.
    Das Gespräch dauerte nicht lange.
    »Ich habe nie verstanden, was du an dem Typen findest«, sagte Kristien, als sie sich angespannt gegenübersaßen. »Du sagst, du hast ihn verlassen, aber das ist jetzt schon das vierte Mal! Immer wenn er dich holen kam, bist du klaglos wieder mitgegangen.«
    »Ich weiß«, sagte Nathalie. »Aber diesmal ist es anders.«
    »Ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Ich habe immer wieder versucht, dir zu helfen, aber vergeblich. Weil du es letztlich selbst nicht wolltest. Warum sollte es diesmal anders sein?«
    Nathalie schwieg, weil Kristien im Grunde recht hatte. Mehrmals hatte die Freundin ihr Zuflucht geboten, und jedes Mal war sie wieder zu Vincent zurückgekehrt, ohne danach noch etwas von sich hören zu lassen. Sie konnte Kristien unmöglich erzählen, was nun vorgefallen war; dadurch würde sie sie
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