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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude
Autoren: David Kessler
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Leben.« Unsere klassische westliche Medizin ist jedoch weit davon entfernt, den Tod als »Errungenschaft im Leben« anzusehen. Ja, die Schulmedizin betrachtet ihn immer noch als Versagen. Der Tod bleibt ein Feind und ist die Folge einer verlorenen Schlacht.
    Wenn die Ärzte den Tod als Folge ihrer Unfähigkeit verstehen, immer und überall jedes Leben zu retten, wie sollen sie dann ein Phänomen beurteilen, das normalerweise am Tag ihrer Niederlage auftritt? Als ich 1995 mit der Arbeit an meinem ersten Buch begann, sprach ich mit einem Onkologen darüber, wie es ist, in der Nähe der Sterbenden zu sein, insbesondere einen Menschen sterben zu sehen. Zu meiner Überraschung erwiderte er, er sei nicht oft bei Patienten gewesen, die dem Tode nahe waren.
    »Aber einige Ihrer Patienten sterben doch, nicht wahr?«, fragte ich.
    »Ja, 30 bis 40 Prozent.«
    »Und wie kommt es, dass Sie das nicht sehen?«
    »An dem Punkt brauchen sie nicht mehr viel von mir, was das Symptommanagement anbelangt«, erklärte er; »ihr behandelnder Arzt kümmert sich dann um sie, und ich wende mich anderen Patienten zu.«
    Ich hakte noch einmal nach: »Waren Sie schon einmal mit im Zimmer, als ein Patient starb?«
    »Nein.«
    Viele glauben, dass man als Arzt den Tod aus erster Hand mitbekommt, aber dieser Onkologe gehörte eindeutig zu jenen Vertretern seines Standes, die damit keine Erfahrung haben und denen der Tod unangenehm ist.
    Dieser Mensch musste noch viel lernen. Für seine Patienten, die zwei bis fünf Jahre lang einen heftigen Kampf gegen den Krebs führen und ihren Arzt währenddessen wöchentlich oder monatlich sehen, entsteht eine Beziehung, die über ein bloßes »Symptommanagement« hinausgeht. Ärzte wie er müssen lernen, dass es für die Patienten – und sogar für sie selbst – wichtig und wertvoll ist, den Kontakt bis zum Ende aufrecht zu erhalten. Diese persönliche Anekdote half mir zu verstehen, warum viele im Gesundheitswesen Tätigen für Visionen auf dem Sterbebett nicht offen sind (geschweige denn darüber berichten würden) und warum die Patienten nicht das Gefühl haben, dass sie mit ihnen über solche Dinge sprechen können.
    Wie viele Geschichten in dem Buch gezeigt haben, sprechen diejenigen, die am Ende ihres Lebens stehen, oft nur ungern über Phänomene auf dem Sterbebett, weil sie fürchten, lächerlich gemacht, abgelehnt oder gar für »verrückt«
erklärt zu werden. Ich glaube allerdings auch, dass diese Geschichten beweisen, dass, nur weil jemand im Sterben liegt und vielleicht erste Blicke in die nächste Welt werfen kann, dies keineswegs bedeutet, dass er oder sie sich dieser Welt nicht mehr bewusst und mit ihr verbunden ist. Auch Familienangehörige und Freunde müssen versuchen, mit ihren Gefühlen für einen lieben Angehörigen, der Visionen hat, umzugehen, und dies oft in einer Umgebung, die sie nicht anerkennt oder schätzt. Sie schämen sich dann womöglich, weil sie nicht wissen, wie häufig und normal diese außergewöhnlichen Episoden sind. Darüber hinaus sind wir an den letzten Tagen unserer Lieben oftmals in erster Linie damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass es ihnen gutgeht und dass sie nicht leiden. Und manchmal werden wir auch von unserer Trauer überwältigt und suchen Hoffnung selbst da, wo es keine mehr gibt. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass mitten in alledem ein Freund oder Verwandter die peinlichen Reaktionen und Zweifel auf sich nehmen wollte, wenn er von besonderen Wahrnehmungen in Todesnähe berichtete. Wenn sie wüssten, dass in der Welt des Rechts die letzten Worte eines Sterbenden höher geachtet und stärker berücksichtigt werden, dann könnten sie diese Visionen vielleicht anders oder zumindest gelassener sehen.
    In der oben zitierten Studie sagten viele Fachkräfte im Gesundheitswesen, dass Visionen auf dem Sterbebett als Indikator des nahenden Todes betrachtet werden können und dass sie »der Aussage zustimmten, dass den Patienten
zu helfen, sich mit ihrem Leben zu versöhnen, eine wichtige Aufgabe in der Palliativversorgung ist«.
     
     
    Dieses Buch kann keinen Schluss haben, weil die Geschichte des Menschen weitergeht. Es sind noch so viel mehr Geschichten zu erzählen. Ich hoffe, dass die Fachkräfte im Gesundheitswesen und Familienangehörige, die bis jetzt noch nicht über die Visionen auf dem Sterbebett, die sie selbst miterlebt haben, gesprochen haben, sich nun eher dazu entschließen können, weil sie wissen, dass sie nicht allein sind.
    In
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