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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman
Autoren: Isabel Ashdown
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ich.
    »Ja! Ein Papierdrachen. Angeblich das neueste Design – extradünnes Papier, aber auch extrastark. Wollen wir ihn ausprobieren?«
    »Ja!«
    Mummy schüttelt den Kopf und wendet sich wieder dem Picknick zu. Ich habe mir immer einen Drachen gewünscht.
    Sowie wir ihn in der Luft haben, saugt der Wind das papierene Viereck hoch hinauf, und die Spule mit der weißen Schnur zieht beruhigend an meinen Händen.
    Daddy ruft mir Anweisungen zu und beschirmt seine Augen mit der Hand vor der Sonne. »Einziehen! Nachlassen! Richtig so … braves Mädchen!«
    Wir jauchzen und rennen mit dem Drachen und lassen ihn Loopings machen, bis Mummy uns zum Lunch zur Wolldecke ruft. Ich spüre die Kühle auf meinen heißen Wangen, und Daddy strahlt mich an. Er ist rot und außer Atem und zufrieden mit seinem Geschenk.
    »Ich freu mich!«, sage ich zu ihm, als wir uns zum Essen auf den Boden plumpsen lassen. »Ich freu mich!«
    Mummy reicht die Porzellanteller herum, und jeder nimmt sich Sandwiches und Kuchen. Sie ist eine gute Köchin. Es gibt keine bessere. Und sie hat daran gedacht, Eiersandwiches für mich zu machen. Die mag ich am liebsten. Sie lehnt sich zurück und zaubert noch ein Päckchen aus dem Korb hervor. Es ist buchförmig, wie immer. Kleine Frauen von Louisa May Alcott. Ich drücke Mummy einen Kuss auf die Wange und bedanke mich.
    »Nicht so gut wie ein Drachen, nehme ich an«, sagt sie mit einem gekränkten Blick zu Daddy.
    »Es ist prima, Mummy, wirklich. Ich finde beides toll.«
    Mummy schnalzt mit der Zunge und lächelt schmal. Rachel gibt mir ihr Geschenk, ein in Petit Point gesticktes Lesezeichen für mein Buch. Darauf steht »Mary Murray, Happy birthday 1957«, und es ist mit Herzen und Blumen verziert. Es ist wunderschön, und jeder Stich sitzt. Ich umarme sie, und sie umarmt mich auch.
    Nach dem Essen lassen Daddy, Rachel und ich abwechselnd den Drachen fliegen. Der Tag ist wie geschaffen zum Drachensteigen. Mummy räumt geschäftig das Geschirr zusammen.
    »Komm, versuch’s auch mal, Penny!«, ruft Daddy.
    Sie schüttelt den Kopf und räumt weiter den Lunchkorb ein.
    Er gibt noch nicht auf. »Lass das doch! Komm und versuch’s! Es macht einen Riesenspaß!«
    Mummy wendet uns den Rücken zu und tut, als höre sie nichts. Daddy konzentriert sich wieder auf den Drachen.
    Ich laufe zu ihr und zupfe an ihrer Bluse. »Es wird dir gefallen, Mummy. Versuch es doch!«
    Als sie ihren Arm wegzieht, sehe ich, dass sie weint.
    »Ich freue mich über das Buch, Mummy. Wirklich! Ich bin ganz gespannt darauf! Mummy?«
    Sie schiebt mich weg und wendet sich wieder ab. »Es geht nicht um das verdammte Buch«, sagt sie, und ich weiche verlegen einen Schritt zurück. »Alles in Ordnung, Mary. Geh nur und lass deinen Drachen steigen. Geh schon – sie warten auf dich.«
    Ich gebe ihr einen Kuss, und sie nickt, ohne mir in die Augen zu sehen. Wenn sie so ist, kann man nichts machen. Also laufe ich zurück zu Daddy und nehme ihm die Spule aus der Hand.
    »Immer langsam!«, ruft er mir nach. »Gleichmäßig halten. Und ab geht er!«
    Der Drachen tanzt und kurvt im Luftstrom hin und her, und ab und zu bockt er, als wolle er fliehen, bevor er dann wieder steil hinaufsteigt. Rachel und ich kichern und quietschen jedes Mal, wenn er senkrecht herunterschießt und den Auftrieb zu verlieren droht. Daddy schaut zu und klatscht Beifall, wenn wir den Drachen aus seinen Abwärtsspiralen retten. Er sieht aus wie ein kleiner Junge. Mummy sitzt oben auf dem Hügel und hat die Knie ans Kinn gezogen. Die weiße Tischdecke flattert unter ihr. Wenn ich blinzle, verschwimmt sie und ist nur noch ein Fels auf dem Hügel. Ich blinzle eine Ewigkeit lang, aber der Fels rührt sich nicht, sitzt nur da, ein grauer Buckel, heftig umweht von hellweißem Licht. Einen kurzen Augenblick lang sieht das flatternde Tuch aus wie ein kleines Mädchen, das neben Mummy kniet und ihr etwas ins Ohr flüstert. Es sieht aus wie ich. Als ich Mummy wieder scharf sehe, könnte man denken, sie starrt mich an. Aber ich weiß, sie tut es nicht.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt zu Mummy gehen«, sage ich, und wir wickeln die Schnur auf und gehen den Berg hinauf.
    Daddy schleppt den Korb zum Auto, und Mummy legt mir einen Arm um die Schultern und drückt einen Kuss auf mein Haar.
    »Happy birthday, Mary«, flüstert sie.
    Ich sehe sie lächelnd an. »Das Buch gefällt mir wirklich«, sage ich. »Lydia hat es auch, und sie sagt immer, ich muss es lesen. Jetzt kann ich es.«
    »Na,
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