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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman
Autoren: Isabel Ashdown
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Pisse und Zigarettenbrandflecken weht uns entgegen. Malcolm starrt mich stirnrunzelnd an, als wäre ich nicht ganz dicht. »Komm rein«, dränge ich, als er kauend vor der Glastür stehen bleibt. Halbherzig kommt er herein, und wegen seinem dicken Bauch müssen wir ein bisschen zusammenrücken.
    »Jetzt gibt’s was zu lachen«, sage ich. »Du kannst dem Meister bei der Arbeit zusehen.«
    Ich wähle die 100. »R-Gespräch, bitte«, sage ich zur Vermittlung. Ich gebe ihr eine erfundene Nummer und einen Namen – »Jawohl, Albert« –, und wir warten auf die Verbindung. Malcolm schaut sich dauernd um, als wolle er sehen, ob jemand kommt. Er sieht richtig nervös aus.
    »Halloooo!«, brülle ich, als die Vermittlung mich durchstellt. »Halloooo? Ist das die kleine Ethel MacSporran?«
    Malcolms Augen sind groß wie Untertassen, und sein Unterkiefer klappt herunter wie bei einer Cartoon-Figur.
    »Ach, Ethel! Brauchst du vielleicht noch’n bisschen Haggis?«, johle ich in meinem schönsten Schottisch, während die Frau am anderen Ende mir zu erklären versucht, dass ich falsch verbunden bin.
    »Uuh, Ethel, krieg dich ein, ja, Mädel? Willste kein Haggis? Wie wär’s mit ’m Dudelsack?«
    Malcolm hat Tränen in den Augen.
    »Eh? Oder vielleicht ’n Kilt?« Das ist jetzt so schräg, dass ich auch nicht mehr kann. Ich bringe gerade noch ein »Tatty-bye!« zustande und hänge ein.
    Malcolm hämmert mit beiden Fäusten an die Glasscheibe und erstickt fast an seinem Hubba-Bubba. »Du bist bekloppt, Alter –«, stammelt er, immer noch kichernd, und seine glänzenden Wagen sind röter als vorher.
    Ich halte ihm den Hörer hin. »Willst du auch mal?« Aber er schüttelt den Kopf und lacht und schiebt sich rückwärts aus der Zelle. Wir gehen zum Royal Oak und sehen ein altes Herzchen an der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite sitzen. Sie sieht ganz süß aus mit ihrer großen Einkaufstasche auf dem Boden neben ihren kleinen braunen Schuhen und scheint alles anzulächeln. Ich sehe, dass ihre Plastiktasche ein Schottenmuster hat. Malc sieht es auch, denn er schnauft und gibt mir einen Schubs.
    Sie ist ein Stück weit weg. Ich bleibe breitbeinig auf der anderen Straßenseite stehen und stemme die Hände in die Hüften. Mit meiner tiefsten schottischen Donnerstimme brülle ich hinüber: »Halloooo, Schätzchen! Willste ’n Haggis?«
    Die kleine, alte Lady legt den Kopf schräg, als könnte sie dann besser hören.
    Malc zupft mich am Ärmel und kräht in einem blödsinnigen Akzent: »Oooder vielleicht ’n haarigen Sporran?« Dann flitzen wir die Straße hinunter, bevor sie uns genauer ansehen kann.
    Ein alter Mann mit einer wuscheligen kleinen Wurst von Hund fuchtelt wütend mit seiner Zeitung, als wir vorbeirennen. »Verdammte Hooligans!«, brüllt er. Ich grinse frech und laufe rückwärts, um ihm zu zeigen, dass ich keine Angst vor ihm habe. Sein Hund hebt das Bein und pisst an den Mülleimer. Dampf steigt auf wie Rauch, als die Pisse vom Bordstein in die Rinne rieselt.
    In sicherer Entfernung bleiben wir stehen, stützen uns atemlos auf die Knie und kriegen fast keine Luft vor Lachen. Mein Riesenlolli rutscht mir aus dem Mund, fällt auf meinen Turnschuh und rollt dann über den Gehweg bis zu Malcolms Fuß. Wir gucken uns an, und jetzt kreischen wir fast, halten uns den Bauch und keuchen, als hätten wir Asthma.
    »War das denn ’ne Schottin?«, fragt Malcolm, als wir uns wieder eingekriegt haben. »Die Frau am Telefon?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Was soll denn dann das ganze schottische Zeug?«
    »Weiß ich auch nicht. Ist einfach komisch«, sage ich. »Scheiße! Ich hab die Haferkekse vergessen! Man muss immer fragen, ob sie Haferkekse wollen!«
    Wir sind fast wieder beim Pub, und eine Zeit lang wissen wir nicht, was wir noch reden sollen.
    »Malc, macht ihr in der Schule auch klassisches Altertum?«
    Malcolm zieht die Nase kraus und schnaubt: »Ja. Wieso?«, als könnte er nicht fassen, dass ich so was frage.
    »Ach, nur so. Willst du einen Zahnbrecher?« Ich halte ihm die Tüte mit den harten bunten Kugeln hin. Wir biegen um die Ecke, auf der anderen Straßenseite ist der Pub, und Malcolm stößt mich an und grinst.
    »Verfluchte Scheiße, Alter – guck mal, wie die aussieht!«
    Und da schwankt diese Frau vor dem Pub und diskutiert mit Eric, dem Wirt. Sie hat ein Sommerkleid und Pantoffeln an und sieht aus, als wäre sie eben von einer Parkbank gekrochen. Sie muss höllisch frieren. Eric schüttelt den Kopf:
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