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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Autoren: Sabine Ludwig
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einer verraten, wie man eine Highschool in New York gegen diese Klitsche hier eintauschen kann?», sagt Jill und sieht Miller hinterher.
    «Er hat doch erzählt, dass seine Mutter hier lebt, um die er sich kümmern muss», sagt Martha. «In seiner ersten Stunde bei uns.»
    Jill zieht eine Augenbraue hoch. «Das hast du dir natürlich gemerkt, wie jedes Wort von ihm, stimmt’s?»
    Martha spürt, wie ihr heiß wird. Bestimmt bekommt sie wieder die verräterischen roten Flecken am Hals. Sie zieht den Reißverschluss ihrer Jacke bis oben hoch.
    «Mein Typ wär der nicht, viel zu soft», sagt Jill.
    «Und was ist mit mir?» Simon nimmt die Positur eines Bodybuilders ein, was bei seinem Schlabberpulli und den ausgebeulten Jeans etwas albern aussieht.
    Jill boxt ihn in den Bauch. «Um bei mir zum Zug zu kommen, reichen Muskeln nicht aus.» Sie tippt sich an die Stirn. «Sex findet im Kopf statt.»
    Die Schulklingel schrillt.
     
    Nach Unterrichtsende gibt es für Martha keinen Grund, sich noch länger in der Schule aufzuhalten. Miller ist längst weg. Donnerstags hat er nur die dritte und vierte Stunde bei denen aus der Siebten. Sie kennt seinen Stundeplan fast besser als ihren.
    Als sie über den Hof kommt, schaut sie trotzdem, ob sein Motorrad noch da steht. Natürlich nicht. Und wieder fragt sie sich, was er wohl macht, wenn er nicht an der Schule ist. Wo und wie er lebt. Ob er vielleicht eine Freundin hat. Bei diesem Gedanken wird ihr jedes Mal ganz anders, aber sie tröstet sich damit, dass er ja erst seit wenigen Wochen in Berlin ist, wo soll er da so schnell eine Freundin gefunden haben.
    Martha schaut auf die Uhr. Sie soll Penelope spätestens um halb vier abholen. Jetzt ist es Viertel vor zwei. Der Kindergarten befindet sich auf ihrem Nachhauseweg, sie könnte die Kleine auch jetzt schon einsacken, aber sie wird den Teufel tun.
    «Hast du Lust, noch kurz mit mir ins Engelmann zu gehen?», fragt sie Jill.
    «Nee, ich hab um drei Ballett und will vorher nach Hause.» Sie grinst Martha an. «Muss mir die Zähne putzen. Wenn Madame Olga riecht, dass ich geraucht hab, bringt sie mich um. Einmal hat sie sogar in der Garderobe an meiner Jacke geschnüffelt.» Jill ahmt gekonnt den russischen Akzent nach. «Jiiihl, wenn du willst haben Errfolck, du musst haben Dissziplin.»
    «Warum machst du es dann, wenn’s so schrecklich ist?», fragt Martha.
    «Wenn ich mich an der Schauspielschule bewerbe, bin ich auf jeden Fall im Vorteil, wenn ich jahrelang Ballett gemacht habe. Und man bekommt eine gute Haltung.» Jill stellt sich auf die Zehenspitzen und hebt die Arme über den Kopf. Dann dreht sie sich einmal um sich selbst. Martha muss zugeben, dass das sehr elegant aussieht, und nicht zum ersten Mal fragt sie sich, wie Jill das alles schafft: Ballett, die Französisch- und Theater- AG , im Schulchor ist sie auch noch, und am Wochenende geht sie joggen oder schwimmen, und trotzdem ist sie Einserschülerin. Jedenfalls seit sie auf dem Gymnasium ist. Martha ist mit Jill schon auf die Grundschule gegangen, und damals war es Jill, die immer von Martha abgeschrieben hat.
    Das einzige Fach, in dem Martha immer noch eine Eins hat, ist Kunst. In allen anderen Fächern quält sie sich mehr oder weniger herum, am schlimmsten ist Mathe.
    «Dann tschüs, meine Liebe, und viel Spaß mit Pe-ne-lo-pee!»
    «Man spricht den Namen englisch aus», sagt Martha. «Ihre Mutter war Amerikanerin. Aber sie wird sowieso meistens Poppy genannt.»
    «Danke für die Information», sagt Jill spöttisch und bückt sich, um ihr Rad aufzuschließen, das sie am Zaun direkt unter dem Schild
Fahrräder anschließen verboten!
geparkt hat.
    Martha läuft langsam die Straße entlang und überlegt, ob sie allein ins Engelmann gehen sollte, aber sie hat nur noch zwei Euro. Natürlich könnte sie einen Espresso nehmen, aber erstens mag sie den bitteren Geschmack nicht, und zweitens kann sie sich daran ja wohl kaum eine Stunde lang festhalten. Sie könnte auch erst nach Hause gehen und Penelope später abholen, aber vielleicht ist die Glatze da und schläft.
    Martha nennt Johannes, den Freund ihrer Mutter, nur
die Glatze
. Ihr ist nicht ganz klar, ob er wirklich so wenig Haare hat oder ob es nur so aussieht, weil er sie sich immer abrasiert. So genau will sie da gar nicht hingucken.
    «Du scheinst es ja nicht sehr eilig zu haben», sagt eine Stimme hinter ihr. Martha dreht sich nicht um. Es ist Vincent. Der hat ihr zu ihrem Glück noch gefehlt.
    Jetzt läuft er neben
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