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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Autoren: Sabine Ludwig
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ihr her. «Ich lad dich ins Engelmann ein. Was darf’s denn sein? Latte macchiato? Heiße Schokolade? Kamillentee?»
    Martha schüttelt dreimal hintereinander den Kopf.
    «Champagner?»
    Gegen ihren Willen muss sie lachen. Sie überlegt kurz. Warum soll sie sich eigentlich nicht von Vincent einladen lassen? Aber das könnte er als Ermutigung auffassen. Jeder in der Klasse weiß, dass er in sie verknallt ist. Er gibt sich auch gar keine Mühe, das zu verbergen. Dummerweise erwidert sie seine Gefühle nicht, schon gar nicht, seit Alexander Miller in ihr Leben getreten ist. Hilfe, wie klingt das denn?
In ihr Leben getreten!
    «Hey, träumst du?»
    Vincent wedelt mit der Hand vor ihren Augen herum. So übel sieht er gar nicht aus, mal abgesehen davon, dass er nicht viel größer ist als sie und Sommersprossen hat. Sommersprossen bei einem Jungen gehen gar nicht!
    «Und wie ich träume», sagt sie. «Von der Mathearbeit nächste Woche.»
    «Wenn du willst, üben wir zusammen», schlägt Vincent vor.
    «Danke, das schaff ich schon», sagt Martha unfreundlicher als beabsichtigt. «Und jetzt muss ich los, bin eh schon spät dran. Mach’s gut.»
    «Du auch!», ruft Vincent ihr hinterher.
    Ins Engelmann an der Ecke kann sie nun nicht mehr gehen, denn Vincent schaut ihr sicher nach. Dann holt sie den Quälgeist eben jetzt schon ab und parkt ihn zu Hause vor der Glotze.
    Sie schaut hoch zum Himmel. Es sieht schon wieder nach Regen aus. Dieser Sommer ist eine einzige Katastrophe. Aber sie hätte eh nichts von schönem Wetter gehabt. Die Ferien sind komplett für das Ausräumen ihrer alten Wohnung und den Umzug draufgegangen.
    Martha könnte die eine Station zu Fuß gehen, es sind höchstens fünfzehn Minuten, aber sie nimmt die U-Bahn. Es ist, als wollte sie die Distanz zwischen ihrem alten und dem neuen Zuhause unbewusst vergrößern.
    Bis zu den Sommerferien hat Martha mit ihrer Mutter in der Nähe der Schule gewohnt, in einer der engen Straßen mit den hohen Bäumen und den alten Gründerzeithäusern hinter gepflegten Vorgärten. Gut, ihre Wohnung war nicht besonders schön und nicht besonders groß gewesen, aber diese Gegend ist ihre Heimat, hier ist Martha aufgewachsen, in einer alten Klinkervilla war ihr Kindergarten. Sie ist hier in die Grundschule gegangen und schließlich in das Gymnasium gleich daneben.
    Die neue Wohnung befindet sich auf der anderen Seite der S-Bahn, und obwohl die Luftlinie kaum einen Kilometer beträgt, liegen doch Welten zwischen Schöneberg und Wilmersdorf.
    Wie spießig hier alles ist, denkt Martha, als sie aus dem U-Bahnhof kommt. Es gibt keine Bäckerei, keinen Zeitungsladen, keinen Gemüsehändler, stattdessen Physiotherapiestudios, Versicherungsbüros und Sozialstationen.
    Als Martha mit ihrer Mutter das erste Mal die neue Wohnung angeschaut hatte, wollte die ihr die Gegend schmackhaft machen, indem sie auf den Volkspark hinwies, der direkt vor der Tür liegt. Martha interessiert sich nicht für Parks, das ist nur was für Jogger oder Mütter mit kleinen Kindern. Hoffentlich kommt Poppy nicht auf die Idee, dass Martha mit ihr auf den Spielplatz gehen soll. Sie hasst Spielplätze!
    Martha biegt in die Straße ein, in der sich der Kindergarten befindet. Ein moderner Zweckbau, an den Scheiben hängen Papierdrachen mit dümmlich lachenden Gesichtern, die aussehen, als hingen sie schon seit Jahren dort, so verblichen sind sie.
    Bisher kennt Martha den Kindergarten nur von außen. Sie hat ihre Mutter ein paarmal begleitet, wenn die Poppy abgeholt hatte. Mit reingegangen ist sie nie. Reicht ja wohl, wenn ihre Mutter sich zum Affen macht. Wahrscheinlich hat die Glatze sie auch nur bei sich aufgenommen, damit er ein Kindermädchen für sein verzogenes Gör hat. Nein, zwei Kindermädchen. Wie oft hat Martha in den letzten Wochen abends babysitten müssen, wenn ihre Mutter mit der Glatze ins Kino gegangen war oder ins Restaurant. Um gerecht zu sein, muss sie zugeben, dass Johannes ihr dann am nächsten Tag immer 20  Euro zugesteckt hat. Ihre Mutter darf davon nichts wissen. «Fehlt noch, dass du Geld dafür nimmst, du bist ja sowieso zu Hause», hatte sie gesagt. Die hat ja keine Ahnung, wie anstrengend das kleine Monster ist, wenn ihr Vater nicht da ist. Kriecht ständig aus dem Bett, will was zu trinken, eine Geschichte hören oder hat schlecht geträumt …
    An der gläsernen Eingangstür zur Kita klebt ein Zettel:
Achtung Läusealarm!
Irgendein Scherzkeks hat ein paar dämlich grinsende Läuse
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