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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)
Autoren: Regina Mengel
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sie nur eindringlich an. Er schien mehr neugierig als böse, dennoch fröstelte es Susanna.
    Nur fort von hier. Sie wechselte die Straßenseite und brachte ein Stück Weg zwischen sich und den Fremden. Noch im Weggehen spürte sie ein Prickeln in ihrem Nacken. Sicher sah er ihr nach.
     
    Natürlich kam sie zu spät zum Unterricht. Das Klingeln der Glocke verhallte bereits in den Gängen, als sie in den Klassenraum stürmte.
    „Schön, dass du es zu uns geschafft hast“, sagte Herr Müller, Susannas Mathematiklehrer. Er setzte sein Klassenbucheintrags-Lächeln auf. „Dann wollen wir deine Pünktlichkeit einmal vermerken. Wenn du außerdem so gut wärst, gleich an die Tafel zu kommen?“
    Wie immer vergeigte sie die Aufgabe - dämliche Geometrie. Herr Müller notierte grinsend eine Fünf. Mistkerl, dachte Susanna.
    „Warum hast du nicht gesagt, dass du Geburtstag hast?“, flüsterte ihre Sitznachbarin, als Susanna sich endlich hinsetzen durfte.
    „Spinnst du? Ich mach doch hier keinen auf Mitleid.“ Empört raufte sie sich die ohnehin schon wirren Haare.
    Zum Glück überstand sie den Rest der Stunde ohne weitere Zwischenfälle. Aber der Tag war noch nicht zu Ende. Nach Biologie und Englisch stand eine Doppelstunde Kunst auf dem Plan.
    Langweilig, dachte Susanna, als sie den Zeichensaal betrat. Sie ließ sich auf den Holzstuhl plumpsen. Es dauerte keine Sekunde, bis der Tumult losbrach. Seit ein Referendar die Klasse unterrichtete, ging es drunter und drüber. Alle redeten durcheinander und manchmal hielt es die Jungs nicht einmal auf den Plätzen.
    Susanna blendete den Lärm aus und schaute aus dem Fenster. Auf dem Fensterbrett saß ein Spatz und blickte in ihre Richtung. Susanna spitzte die Lippen und flötete eine Tonfolge.
    Der Spatz hielt in seiner Bewegung inne. Er neigte den Kopf und blickte Susanna an, als hätte er sie verstanden. Sie könnte schwören, er sah ihr direkt in die Augen. Zwinkerte er ihr zu?
    Draußen ertönte ein Pfiff, zu laut und schrill, um von dem Vogel zu stammen. Susanna beugte sich vor. Unten stand eine Frau. Sie winkte, wandte sich um und lief auf die Straßenecke zu.
    Der Sperling klopfte mit seinem Schnabel gegen das Glas. Susanna schaute ihn verwirrt an. Ach was, das bilde ich mir nur ein. In diesem Augenblick kam die Sonne hervor. Ein Lichtstrahl erfasste den Vogel. Während er sich in die Luft schwang, veränderte sich die Farbe seines Gefieders. Statt in Braun leuchtete es nun in sattem Grün. Kaum einen Atemzug später verschwand die Sonne wieder hinter einer Wolke und das Farbenspiel erlosch.
    Mit kräftigen Flügelschlägen flog der Spatz der Frau hinterher. Durch das schmutzige Fenster konnte Susanna nicht richtig erkennen, was draußen geschah. Fast schien es, als unterhielten sich die beiden. Eine Weile schwebte der Vogel in der Luft, ehe er sich auf der Schulter der Frau niederließ. Gemeinsam gingen sie davon.
    Kopfschüttelnd sah Susanna ihnen nach. Heute war wirklich ein komischer Tag!

3.                   Das Paket
     
    E in Gewitter bahnte sich an. Grau und schwer zogen sich die Wolken zu einer dichten Decke zusammen. Susanna fror. Zitternd schloss Susanna die Knöpfe ihrer Jacke. Trotzdem drang der Wind durch den Stoff.
    Als sie in die Ruelle-Gasse einbog, begann es zu nieseln. Zum Glück erreichte sie rechtzeitig das Haus. Sie rief einen kurzen Gruß in den Teeladen und stieg die Stufen zu der kleinen Dachgeschosswohnung hinauf.
    Das Kochen des Mittagessens war Susannas Aufgabe. Heute gab es Spinat, Kartoffelpüree und Spiegelei. Bei diesem Gericht konnte nicht viel schief gehen.
    Während sie für das Püree einen Topf mit heißem Wasser und Milch füllte, klingelte es.
    Susanna und Albin bekamen nicht oft Besuch. Wer konnte das sein? Sie drückte auf den Knopf, der die Haustür entriegelte. Da es einen Moment dauerte, vier Stockwerke hinauf zu steigen, kehrte sie zurück in die Küche, um den Herd einzuschalten. Sie stellte den Topf auf die Platte, den gefrorenen Spinatblock schob sie in einer Schüssel in die Mikrowelle.
    Es klingelte erneut, diesmal an der Wohnungstür. Susanna wischte sich die Hände an der Hose ab und öffnete. Durch das Treppenhaus hallten Schritte, aber niemand stand vor der Tür.
    „Hallo“, rief sie und trat an das Geländer. Sie starrte hinunter, doch mehr als einen Schatten, der sich zwei Stockwerke unter ihr die Treppen hinab bewegte, erkannte sie nicht. Vielleicht ein Mann, sie spähte durch das Geländer,
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