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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages
Autoren: Lynn Austin
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Barmädchen, wertlose Bettler und Schwarze – Leute, mit denen Eugenia noch nie Umgang gehabt hatte. Sie schluckte die Wut hinunter, die sie angesichts der Tatsache empfand, dass sie auf Wohltätigkeiten angewiesen und deshalb gezwungen war, mit ihnen zusammen in einer Schlange zu stehen. Die drängelnde Menschenmenge schob sie jedes Mal weiter, wenn die Schlange sich bewegte, und einen Augenblick lang verlor sie das Gleichgewicht und fiel gegen ihren Diener. Er fasste ihren Arm, um sie zu stützen, dann zog er die Hand schnell wieder zurück.
    „Tut mir leid, Ma’am! Entschuldigung! Sind Sie in Ordnung?“
    „Mir geht es gut.“ Aber Tränen der Wut und Demütigung brannten in ihren Augen. Eugenia hätte nie gedacht, dass sie einmal so tief sinken würde. Sie wandte den Blick von den schmutzigen Leuten ab, die sich um sie drängten, und schwor sich insgeheim, dass sie nie, nie wieder so tief sinken würde. Ihre Würde sollte das Allerletzte sein, was die Yankees ihr jemals nehmen würden.
    „Ich brauche Lebensmittel für meinen ganzen Haushalt“, sagte sie zu dem Angestellten, als sie an der Reihe war, „und zu essen für die … Diener.“ Sie hätte sie beinahe Sklaven genannt.
    „Wie viele Personen?“
    „Acht. Mein Diener kann Ihnen sagen, wie viele Schwarze wir noch haben.“ Sie zeigte auf Otis.
    „Eine Handvoll“, sagte er mit einem Schulterzucken. „Und ein paar Kinder.“ Zu spät wurde Eugenia bewusst, dass er wahrscheinlich nicht zählen konnte.
    Der Angestellte griff hinter sich und hob einen Beutel Maismehl auf den Tisch. Dann fügte er Tüten mit Mehl, getrockneten Bohnen und Reis hinzu, eine Portion gesalzenes Schweinefleisch und ein fettiges Paket Schmalz. Er schnitt Grimassen, während er arbeitete. Otis tat alles in den Kartoffelsack und warf ihn sich über die Schulter. Eugenias Werk war getan. Sie ging, ohne dem Yankee dafür zu danken, dass er ihr zurückgab, was von Rechts wegen ihr gehörte.
    Sie musste mehrmals stehen bleiben und Luft holen, als sie nach Church Hill hinaufgingen. In der Sonne war es für den Schal zu warm geworden und Eugenia war schwach vor Hunger. Als sie endlich zu Hause angekommen waren, hielt Otis sie vor der Hintertür auf. „Kann ich Sie etwas fragen, Ma’am?“ Er starrte auf seine abgenutzten Schuhe hinunter, anstatt Eugenia anzusehen.
    „Ja? Was ist denn?“
    „Alle sagen, dass wir jetzt frei sind, und ein paar von den anderen sagen, sie wollen nicht mehr für Miz Olivia arbeiten.“
    „Und ich nehme an, du willst auch gehen?“
    „Na ja … ich habe Massa Philip versprochen, dass ich auf Sie und Missy Josephine und Missy Mary aufpasse, während er weg ist. Er hat gesagt, wenn ich das tue, wird er meinen beiden Jungen die Freiheit schenken, wenn er wiederkommt – obwohl sie ja wohl jetzt sowieso frei sind. Ich habe mein Versprechen gehalten und Ihnen allen geholfen, nach Richmond zu kommen, aber jetzt vermisse ich meine Frau und Familie ganz schrecklich. Ich möchte nach White Oak zurück und nachsehen, ob es ihnen gut geht.“
    „Und wie willst du dorthin gelangen?“
    „Ich werde wohl nach Hause laufen, Ma’am.“
    Nach Hause. Diese Worte riefen in Eugenia Sehnsucht nach der Heimat wach und ihr kamen die Tränen. Sie hob das Kinn, fest entschlossen, keine Schwäche zu zeigen. „Du brauchst nicht zu laufen, Otis. Wenn du noch ein paar Tage warten kannst, fahren wir alle zurück. Du kannst die Kutsche für uns lenken.“
    Ein breites Grinsen erhellte sein Gesicht. „Ja, Ma’am. Das würde ich gerne.“
    Eugenia würde nach Hause fahren. Sie wollte ihrer Schwester sofort ihre Entscheidung mitteilen und fand Olivia allein im Vormittagssalon, wo sie an ihrem Schreibtisch saß. „Du bist wieder da!“, sagte Olivia und sprang auf. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ist alles gut gegangen?“
    Eugenia nickte. „Wir haben genug zu essen für zwei Wochen. Aber hör zu. Ich habe beschlossen, nach White Oak zurückzukehren.“
    „Aber Eugenia, du kannst nicht gehen! Es ist viel zu gefährlich! Die Yankeesoldaten sind überall und dazu alle möglichen Vagabunden, die herumstreunen. Flüchtlinge und Schwarze und –“
    „White Oak ist mein Zuhause. Dort gehören die Mädchen und ich hin.“ Sie durchquerte den Raum und ergriff die Hand ihrer Schwester mit flehendem Blick. „Du musst doch verstehen, wie ich mich fühle, Olivia. Du wolltest dein Haus auch nicht verlassen, also bist du selbst während der schlimmsten Zeit hiergeblieben,
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