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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages
Autoren: Lynn Austin
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oder an einen Gott, der sich um ihr Leiden kümmerte. Es war Zeit, ihren Kinderglauben an einen Gott zu begraben, der ihr liebender Vater war und auf sie aufpasste und tat, was das Beste für sie war.
    Was sie betraf, war Gott genauso fern und unerreichbar wie ihr eigener geliebter Vater.

Kapitel 2

    9. April 1865

    Eugenia Weatherly konnte es nicht ertragen, ihre Töchter noch einen Tag länger hungern zu sehen. Eine Woche war vergangen, seitdem der Krieg zu Ende gegangen war und der Süden sich ergeben hatte und Eugenias Familie litt Hunger. Sie war die Stärkste von allen, also musste sie etwas zu essen finden. Sie schlang sich gegen die Morgenkälte einen Schal um die Schultern und ging zu der Tür, die in den Sklavenhof führte, fest entschlossen, einen Bediensteten zu finden, der ihr helfen konnte. Aber gerade als sie an der Tür ankam, rief ihre Schwester Olivia: „Warte, Eugenia!“
    Eugenia blieb mit der Hand auf dem Türknauf stehen und sah sich ungeduldig um. Sie hatte sich entschieden und sie würde sich ihren Entschluss von ihrer Schwester nicht ausreden lassen. „Was ist denn, Olivia? Dein Nachbar hat gesagt, man muss früh da sein, bevor die Schlange zu lang wird.“
    Olivia hatte Tränen in den Augen und ihr zusammengeknülltes Taschentuch war schon ganz feucht. „Ich kann den Gedanken, dass du betteln gehst, nicht ertragen. Vater wird sich im Grabe umdrehen. Gibt es keinen anderen Weg, etwas zu essen zu besorgen?“
    „Nein, den gibt es nicht. Die Speisekammer, der Vorratskeller und alle unsere Mägen sind leer. Der Markt ist nur noch ein Haufen verkohlter Balken, unsere Kinder haben Hunger, du weinst immerzu –“
    „Nur wegen der Nachrichten. Ich kann nicht fassen, dass General Lee sich wirklich ergeben hat.“
    „Das hat er aber. Der Krieg ist seit einer Woche vorüber und wir sind der Gnade unserer Feinde ausgeliefert. Wenn das Christliche Komitee der Vereinigten Staaten in der Innenstadt kostenlose Mahlzeiten verteilt, dann glaube ich, dass wir einen Anspruch darauf haben.“
    „Wer hätte jemals gedacht, dass wir auf Wohltätigkeit angewiesen sein würden“, jammerte Olivia.
    Eugenia hob stolz das Kinn. „Ich weigere mich, das als Wohltätigkeit zu bezeichnen. Die Yankees haben alles gestohlen, was wir hatten, also ist es höchste Zeit, dass sie uns etwas davon zurückgeben.“ Sie öffnete die Tür erneut und ließ einen Schwall kühler Luft und den Gestank von den Ställen und dem Sklavenhof in den winzigen Flur. „Ich komme so bald wie möglich wieder.“
    „Warte. Du solltest nicht alleine gehen. Eine von uns kann dich begleiten.“
    Eugenia schüttelte den Kopf. „Ich gehe lieber allein. Du fühlst dich noch nicht gut und ich werde meine Töchter nicht auf die Straße lassen, wenn überall Yankeesoldaten herumlaufen.“ Außerdem wollte Eugenia nicht, dass die Mädchen Zeuge ihrer Schande wurden, wenn sie um Nahrungsmittel betteln musste. „Ich werde meinen Diener mitnehmen – Amos oder Otis oder wie auch immer er heißt.“
    „Bist du dir sicher, dass er noch hier ist? Wie es aussieht, laufen immer mehr Sklaven fort. Die Yankees sagen ihnen, dass sie frei sind und gehen können.“
    „Ich finde, es ist grausam, Menschen die Freiheit zu geben, die nicht wissen, was das bedeutet oder was sie damit anfangen sollen. Es ist so, als würde man einem Baby eine Fackel in die Hand drücken. Wenn mein Sklave nicht hier ist, werde ich dafür sorgen, dass einer von deinen mich begleitet.“
    „Sei vorsichtig, Eugenia. Alle sagen, dass es in der Stadt gefährlich ist.“
    „Ich weiß … Und Olivia, bitte sag den anderen nicht, wohin ich gegangen bin.“ Eugenia eilte durch die Tür in den Hof, um diesen widerlichen Gang so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Sie war es nicht gewöhnt, den Eingang für Sklaven zu benutzen, und wäre beinahe über einen schwarzen Jungen gestolpert, der auf dem Treppenabsatz saß und an einem Stück Holz schnitzte. Als er Eugenia sah, sprang er auf und stand mit angelegten Armen wie ein Soldat in Habtachtstellung da. „Ja, Ma’am?“
    „Weißt du, wo ich den Sklaven finde, der mich von der White Oak Plantage hierher gefahren hat?“
    „Otis? Ja, Ma’am. Er ist wahrscheinlich im Stall und kümmert sich um Ihr Pferd und Ihre Kutsche.“
    Eugenia verspürte eine Welle der Erleichterung angesichts der Tatsache, dass Otis nicht wie so viele andere davongelaufen war – und nicht ihr Pferd gestohlen hatte. „Sag ihm, dass ich ihn sprechen
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