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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages
Autoren: Lynn Austin
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als alle gesagt haben, es sei zu gefährlich zu bleiben. Jetzt habe ich auch vor, nach Hause zu gehen, egal, was alle sagen. Ich werde darauf vertrauen, dass der Allmächtige uns beschützt.“
    „Aber überleg doch, Eugenia. Wie viele Sklaven hattest du? Mehrere Dutzend? Was ist, wenn sie sich gegen dich wenden?“
    „Philip hat sie immer gut behandelt. Ich bezweifle, dass sie gefährlich sind. Mein Diener hat mir gerade erzählt, dass er auf die Mädchen und mich aufgepasst hat, weil er es Philip versprochen hat.“
    Olivia zog ihre Hand fort. „Sei nicht naiv. Wer weiß, was deine anderen Schwarzen für Pläne geschmiedet haben, während du weg warst.“
    „Trotzdem reise ich ab, Olivia. Die Mädchen und ich gehen –“
    „Wohin, Mutter? Wohin gehen wir?“
    Eugenia wandte sich um und sah Josephine in der Tür stehen. „Nach Hause, Liebes. Wir fahren zurück nach White Oak.“
    Ein schwaches Lächeln erhellte Josephines Gesicht, das erste, das Eugenia seit Wochen auf ihren Lippen sah. „Wann?“, fragte sie.
    „In ein paar Tagen. Spätestens nächste Woche. Ich habe erst heute früh die Entscheidung gefällt.“
    „Ich glaube, du denkst nicht an das Wohl deiner Töchter, Eugenia. Oder an ihre Sicherheit.“
    „Ich habe keine Angst. Wie steht es mit dir, Josephine? Denn wenn du nicht willst, werde ich dich nicht zwingen, Richmond gegen deinen Willen zu verlassen. Und Mary auch nicht.“
    Josephine durchquerte das Zimmer und trat neben sie. „Ich habe keine Angst. Ich will auch nach Hause.“
    Eugenia streichelte die Wange ihrer Tochter und wandte sich dann wieder an Olivia. „Siehst du?“
    „Ich finde, du bist sehr unvernünftig.“
    Eugenia atmete aus. Der Blick ihrer Schwester war starrsinnig, aber sie konnte genauso stur sein. Erst heute Morgen hatte sie eine Diskussion mit ihrer Schwester für sich entschieden und Lebensmittel mit nach Hause gebracht. Sie würde auch diese Schlacht gewinnen.
    „Josephine, lässt du deine Tante und mich bitte einen Moment unter vier Augen reden? Danke.“ Eugenia wartete, bis sie und Olivia allein waren, dann sagte sie: „Ich muss an die Zukunft meiner Töchter denken. Sie verdienen mehr als diese duckmäuserische Angst, dieses Leben von einem Tag zum nächsten, während sie sich fragen, was das Morgen bringen oder ob es überhaupt ein Morgen geben wird. Sie sind so still und in sich gekehrt geworden und es macht mich wütend, wenn ich mir vorstelle, dass sie ihre Jugend diesem Krieg geopfert haben, die besten Jahre ihres Lebens.“ Erneut ergriff sie die Hand ihrer Schwester. „Weißt du noch, wie es war, als wir so alt waren wie die beiden, wie wir in dem großen Himmelbett gelegen und uns kichernd Geheimnisse erzählt haben? Erinnerst du dich an die Bälle, zu denen wir gegangen sind, und die Kleider, die wir getragen haben? Und das Spiel mit den Verehrern? Wie viel Spaß hatten wir beim Necken und Flirten! Diese Jahre waren mit Lachen und Freude gefüllt, aber meine Mädchen kennen ein solches Glück gar nicht.“
    „Das verstehe ich ja, aber diese Dinge brauchen Zeit –“
    „Noch ein Grund mehr, sofort anzufangen. Wir haben fünf Jahre unseres Lebens verloren, Olivia – fünf Jahre, die wir nie zurückbekommen werden.“
    „Dann wartet wenigstens, bis Daniel wiederkommt. Wahrscheinlich ist er bald von der Armee zurück. Warum wartet ihr nicht, bis er da ist, um euch zu beschützen?“
    „Weil Daniel und die anderen Jungen so lange tapfer gekämpft haben. Selbst als der Feind in der Überzahl war, haben sie für ihre Familien und ihr Land gekämpft. Ich möchte dafür sorgen, dass mein Sohn ein gemütliches Heim hat, in das er zurückkehren kann.“
    Olivia hatte Tränen in den Augen. „I-ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber … aber was ist, wenn es White Oak nicht mehr gibt? Was, wenn die Yankees es zerstört haben?“
    Eugenia ließ Olivias Hand los und wandte sich dem Fenster zu, um hinauszublicken. Die Sonne, die auf dem Weg von der Stadt zurück so warm geschienen hatte, war hinter einer dunklen Wolke verschwunden. „Ich habe meinen Mann verloren, meinen erstgeborenen Sohn und das Leben, das ich kannte“, sagte sie schließlich. „Wenn sich herausstellt, dass mein Zuhause auch nicht mehr da ist, weiß ich nicht, was ich tun werde – aber ich werde weitermachen. Der Feind kann uns besiegen, aber er kann uns nur dann zerbrechen, wenn wir es zulassen. Mit Gottes Hilfe werde ich alles zurückgewinnen, was die Yankees mir gestohlen
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