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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Trotzdem hatte das Blatt einen Sieg auf ganzer Linie eingefahren, denn es erwähnte das Bekennerschreiben und bezeichnete seinen Absender als paramilitärisch organisierte Gruppe von Neonazis.
    »Alles, nur das nicht«, dachte ich und trank mein Bier aus. Eine winzige Hoffnung gab es noch: dass Papier, wie erwähnt, geduldig war und das Bekennerschreiben von ein paar Halbwüchsigen im Partyrausch zusammenbuchstabiert worden war.
    Der Tag jedenfalls war gelaufen. Ich hangelte mich trinkend von Stunde zu Stunde, hatte keinen Appetit, ignorierte eingehende Anrufe und schaute gegen Abend im Englischen Jäger vorbei. Von meinen Freunden war nur Leander da, und der starrte schweigend ein Loch in die Luft. Ich setzte mich neben ihn, zerkrümelte ein paar Bierdeckel und schnipste sie in die Ecke. Gegen Mitternacht torkelte ich nach Hause.
    Als die Türklingel ging, hatte ich gefühlte fünf Minuten geschlafen. Eine prächtige Morgensonne schien ins Zimmer und traf dort auf einen ebenso prächtigen Pickel an meinem Kinn. Wie er es zwischen all den dicken Bartstoppeln ans Tageslicht geschafft hatte? Großes Rätsel. Dass er da war, spürte ich, bevor ich die Augen aufschlug. Ich spürte auch, dass ich einen steifen Hals hatte und nicht gut roch. Kein Wunder, nach bloß fünfminütigem Schönheitsschlaf. Es läutete wieder.
    Ich stand auf, hängte mir etwas über, was einmal eine Art Morgenmantel gewesen war, und schlurfte durch meine Zweizimmerwohnung zum Eingang. Alle meine Bekannten wissen, dass die Haustür unten nie abgeschlossen wird, es sei denn, unser Vermieter hat seinen Besuch angekündigt. Auch der Briefträger weiß es und der Mann, der den Stromverbrauch abliest. Also stand da unten ein Unbekannter. Der einen um acht Uhr morgens belästigte.
    Es dauerte eine Minute, bis ich die Tür erreicht hatte. Nicht weil meine Wohnung so groß, sondern mein Morgenmantel so ausgeleiert war. Beim Versuch, den überlangen Gürtel vorm Bauch zu verknoten, blieb ich mit dem rechten Fuß darin hängen und stürzte in einen Sessel. Als ich endlich vorm Eingang stand und den Türöffner betätigen wollte, hörte ich die Dielen im Treppenhaus knarren.
    »Was gibts?«, brummte ich und riss die Tür auf.
    Im nächsten Moment fühlte ich mich wie Ödipus.
    »Hoppla!«, sagte ein Mann in meinen Schmerzensschrei hinein. Bevor mich das Licht geblendet hatte, hatte ich die Umrisse des Besuchers wahrnehmen können. Oben dunkles Haar, unten Krawatte und dazwischen eine kleine Kamera. Mit einem verflucht grellen Blitz. Schimpfend wie ein Rohrspatz rieb ich mir die Augen.
    »Sie funktioniert ja doch«, kam eine Stimme durch die Dunkelheit auf mich zu. »Ich dachte, die Batterie reicht nicht mehr, aber das war wohl falsch gedacht.«
    »Verdammt falsch gedacht«, bellte ich, öffnete die Augen kurz, um sie gleich wieder zu schließen. Mit dem Kurier des Zaren hatten sie so was Ähnliches angestellt, und irgendein christlicher Märtyrer war bestimmt auch schon geblendet worden. Zum Teufel mit dieser Ahnenreihe!
    »Die Haustür unten stand offen«, sagte der Mann. »Ich habe es erst nach dem zweiten Klingeln gemerkt. Darf ich eintreten?«
    »Nein!«, rief ich und wehrte ihn mit ausgestreckter Hand ab. Ich hielt sie einfach geradeaus, er war ja nicht zu verfehlen. »Was soll der Mist? Was wollen Sie?«
    »Das erkläre ich Ihnen gerne. Am besten bei einer Tasse Kaffee. Es muss nicht hier sein, vielleicht darf ich Sie einladen. Um die Ecke habe ich ein kleines Bistro …«
    »Stopp!« Ich versuchte es ein zweites Mal mit meinen Augen. Sie brannten noch immer, aber ich erkannte die Gegenstände um mich herum. Schemenhaft zumindest. Mein Besucher stellte sich als Mann um die 30 heraus. Dunkle, leicht glänzende Locken, braune Augen, Brille, scharf geschnittene Nase und um den Mund herum ein Bärtchen, das immer alberner aussah, je mehr es seine Schemenhaftigkeit verlor.
    »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Nein!«, schnauzte ich ihn an. »Tun Sies allein. Ihr Bistro ist teuer und schlecht, außerdem würden sie mich in meinem Zustand dort hochkant rausschmeißen. Kommen Sie in einer Stunde wieder, aber lassen Sie Ihre Kamera hier.«
    »Keine Umstände, Herr Koller«, wehrte er ab. »Ich trinke gerne einen Kaffee bei Ihnen. Schließlich habe ich Ihnen etwas mitgebracht.«
    »Und das wäre?«
    »Einen Auftrag«, grinste er. Und, als ich nicht reagierte: »Max Koller, Ermittlungen aller Art. So steht es an Ihrer Tür. Also los, wir wollen Sie engagieren.
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