Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
sich jemand wichtig machen.«
    »Das war auch mein Gedanke. Aber der Begriff Trittbrettfahrer fiel bei der Pressekonferenz nicht ein einziges Mal.«
    »Weil sich keiner festlegen wollte. Wenn man nichts sagt, muss man hinterher nichts dementieren. Okay, die beiden Kollegen, die auf die Spur des Bekennerschreibens kamen, behaupten zwar steif und fest, es gäbe eine Verbindung zwischen diesen Nazis und dem Anschlag, aber ich will das nicht glauben. Lieber will ich glauben, dass die beiden an investigativem Größenwahn leiden.«
    »Wie kamen sie überhaupt an ihre Informationen?«
    »Angeblich ein Leck bei der Polizei. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier gestern los war. Wer alles aufmarschiert ist. Leute vom BKA , vom Innenministerium und so weiter. Schreiorgien auf der Chefetage. Dass sich das wieder einrenkt, werde ich wohl nicht mehr erleben.«
    »Ich auch nicht«, echote Lothar trübsinnig.
    »Uns kann es im Grunde egal sein. Aber weiß man es? Wir sind alle auf ein gutes Verhältnis zu den Behörden angewiesen. Und nur weil zwei scharfe Hunde – Entschuldigung, Lothar! – zwei Wadenbeißer aus meinem Betrieb auf Schlagzeilenjagd sind, will ich nicht für die nächsten Jahre auf Granit beißen, wenn ich Informationen von der Polizei brauche.«
    »Aber falls es sich tatsächlich um Trittbrettfahrer handelt …«
    »… sind die Ermittler erst recht die Gelackmeierten. Dann müssen sie zugeben, dass es eine falsche Spur war. Und wenn es doch die richtige Spur war, vermasselt ihnen der Artikel möglicherweise die Tour.« Er schüttelte den Kopf. »Nee, nee, diese Geschichte wird Folgen haben, denk an meine Worte.«
    Ich schlug die Beine übereinander und tat ihm den Gefallen: Ich dachte über seine Worte nach.
    »Na gut«, murmelte der dicke Sportredakteur derweil und stemmte sich aus seinem Stuhl hoch. »Ich geh dann mal. Cave canem und wie man so sagt.«
    Wir sahen ihm nach, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann tippte ich mir an die Stirn. »Was ist denn mit dem los? Macht er eine Lebertrandiät oder was?«
    »Du hast gut reden«, seufzte Covet. »Sie haben ihn verdonnert, etwas über den Hund eines der Opfer zu schreiben. Eine Langhaardackel-Homestory, verstehst du? Wie Klein Bello zu Hause in Neulußheim sitzt, das Fressen verweigert und nach seinem toten Herrchen heult. Was fürs Herz.«
    »Aber Lothar ist doch Sportredakteur.«
    »Und? Was spielt das für eine Rolle in diesen Tagen?« Covet sprang auf und lief mit fuchtelnden Händen durchs Zimmer. »Jetzt ist jeder gefragt, der einen Griffel halten kann. Jeder muss ran, muss die Öffentlichkeit mit Dingen füttern, die keinen interessieren. Was meinst du, was sie mir schon für einen Schmu andrehen wollten? Unser Chef hat eine Task-Force zusammengestellt, eine schnelle Eingreiftruppe für die Frontberichterstattung.«
    »Eine was?«
    »Eine Task-Force, du hast richtig gehört. Der Herr möge demjenigen verzeihen, der diese Idee hatte. Nein, er wird es nicht tun. Das nicht.« Er hielt inne. »Wolltest du eigentlich etwas Bestimmtes von mir?«
    »Nur mit dir quatschen. Allgemeine Situationsanalyse. Und deine Einschätzung, was diese Neonazis betrifft.«
    »Wie gesagt, Trittbrettfahrer. Überleg doch mal, wie absurd das ist: eine politische Aktion, die darin besteht, während eines Volksfestes wild um sich zu schießen.«
    »Natürlich ist es absurd. Aber weißt du, was in so einem kahl geschorenen Kopf vor sich geht?«
    »Das nun auch wieder nicht.« Er kehrte zu seinem Platz zurück. »Und du? Was machst du in diesen Zeiten?«
    »Mir einen ansaufen. Das habe ich gestern getan. Heute angele ich mir vielleicht einen Auftrag. Sobald ich ihn habe, erzähle ich dir davon.«
    Er nickte abwesend. Dass der Auftrag etwas mit dem Anschlag zu tun haben könnte, kam ihm nicht in den Sinn. Wie auch?
    »Schreibst du eigentlich nichts über den Samstagabend?«, fragte ich. »Gestern war jedenfalls kein Artikel von dir drin.«
    Er lachte auf. »Ich? Nein, keine Zeile schreibe ich. Und da dürfte ich der einzige Redakteur weit und breit sein. Mein Chef wollte mir die Hunde-Homestory geben, da habe ich ihm Prügel angedroht. Vor versammelter Mannschaft. Seitdem ist Ruhe.«
    »Prügel? Du doch nicht, Marc.«
    »Worauf du einen lassen kannst. Weißt du, was gestern als Aufmacher im Lokalteil hätte erscheinen sollen? Ein Bericht über diesen jungen Aktienguru aus der Weststadt, dieses Investitionsgenie, vor dem die halbe deutsche Wirtschaft zittert. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher