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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Autoren: Yvonne Pioch
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Buch. Miraj beobachtete sie dabei. „Ich wusste nicht, dass du lesen kannst“, sagte er. – „Ich habe es von meiner Mutter gelernt. Als sie gestorben war, habe ich immer wieder allein geübt, bis ich es vollständig beherrschte“, erklärte Anne. „Dann musst du sehr klug sein“, erwiderte Miraj mit einem bewundernden Lächeln. Anne wurde rot. An Komplimente dieser Art war sie nun erst recht nicht gewöhnt. „Ich gehe dann wieder“, sagte sie, ohne ihn anzublicken, und stürzte aus dem Raum. Sie spürte Mirajs Blick in ihrem Rücken.
     

Kapitel 4: Animus
    Am nächsten Tag schlug das Wetter um. Es war erst Ende September, doch der Sommer schien der Vergangenheit anzugehören. Es stürmte und regnete dermaßen, dass sich Anne und ihr Vater um die restliche Ernte sorgten. Gleichwohl, dies war kein Wetter, das man auf dem Feld verbrachte. Sie mussten warten, bis sich Wind und Regen gelegt hatten und dann sehen, was von der Ernte noch zu retten war.
    Da Anne nun das Haus hüten musste und auch Henri und sein Lehrer nur in den kurzen Regenpausen vor die Tür gehen konnten, wollte sie die Gelegenheit nutzen, um mehr über Miraj und die Art von Magie herauszufinden, die an Henris Universität offensichtlich gelehrt wurde. Oft schlüpfte sie hinter einen Vorhang, verbarg sich hinter einer Tür oder Kommode, wenn die Männer den Raum betraten. Doch es war wie verhext – wann immer sich Anne in Lauschposition befand, gingen die Gespräche ausschließlich ums Fährtenlesen. „Sieh dir diese Spuren an, Henri“, sagte Miraj etwa und deutete auf eine Zeichnung, die er von einem Fußabdruck im Schlamm gemacht hatte. „Die Größe und die Richtung. Es ist an der Zeit, sich vorzubereiten.“
    Anne konnte sich – zu ihrem Verdruss – aus diesen Gesprächen keinen Reim machen, doch sie hatte den Eindruck, dass Miraj nicht ganz zufällig mitgekommen war. Ich muss wissen, was er hier mit meinem Bruder tut und wie lange er bleiben will, dachte Anne, dann verstehe ich vielleicht endlich den Traum. In einem unbeobachteten Moment, als die anderen sie in der Waschküche vermuteten, schlich sich Anne in die Nähe ihres Zimmers. Miraj war soeben im Stall verschwunden, also war dies endlich ihre Gelegenheit! Sie drückte die Türklinke – doch fand die Tür verschlossen. Ärgerlich kehrte sie in die Küche zu ihrem Vater zurück. Miraj musste ihm von dem kleinen Zwischenfall berichtet haben, denn er hielt den Schlüssel seit Jahren versteckt und Anne hatte keinerlei Idee, wo sie danach suchen sollte.
    Noch am Abend war Anne völlig in Gedanken versunken. In einigen Tagen würden Henri und Miraj vermutlich wieder abreisen – und ihre Chance, etwas zu erfahren, war ein für allemal vertan. Sie lag wach, während es in der Ferne donnerte. Blizzard hatte ebenfalls noch keine Ruhe gefunden, anscheinend machte ihm das Wetter zu schaffen. Anne stand auf und ging zu dem aufgeregt in seiner Box tänzelnden Schimmel. „Ganz ruhig, das Gewitter ist bald vorbei“, redete sie auf ihn ein. „Dann kehrst du mit Henri und Miraj wieder in diese fremde Gegend im Süden zurück und ich bleibe auf dem Hof. Ich werde irgendeinen Bauernjungen heiraten und nie erfahren, warum ich von Miraj geträumt habe. Und es geht immer weiter wie jetzt.“ Die letzten Worte hatte sie mehr zu sich gesprochen als zu dem Schimmel und sie schrak zusammen, als sie bemerkte, dass Mirajs schwarzer Hengst Animus sie von seiner gegenüberliegenden Box aus beobachtete. Sie war sich sicher, dass er bereits geschlafen hatte.
    Vorsichtig ging sie auf ihn zu. „Hat dich das Wetter geweckt oder meine Worte?“, wisperte Anne ihm zu. Das Tier schnaubte und kam näher an den Rand der Box auf Anne zu. Mirajs Pferd blickte sie aufmerksam an und in diesem Blick lag eine Intelligenz und Wachheit, die Anne rätselhaft waren. Ein Sog schien von dem Hengst auszugehen. Vorsichtig streckte sie ihre Hand in die Box und näherte sich ihm langsam, ganz langsam, bis sie schließlich seine Blesse berührte. Plötzlich wieherte der Hengst aufgeregt und Anne zuckte zurück. Ihr Herz klopfte wild. Etwas war mit diesem Pferd, das sie sich nicht erklären konnte. Sie hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen, und doch hatte sie den Eindruck, dass sich ihre Sinne geschärft hätten. Sie spürte, wie sie zu Boden glitt.
    In diesem Moment flog das Scheunentor auf und Miraj stand im Raum. Er starrte Anne und den Hengst an, erfasste die Situation augenblicklich, zog Anne hoch und trug sie zu
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