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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Autoren: Yvonne Pioch
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wieder?“ – „Es scheint so“, flüsterte sie, gab sich dann einen Ruck und klappte den Mund wieder zu. Sie begrüßte die beiden Männer nur mit einem Kopfnicken. Dann griff sie nach den Halftern der Pferde und kehrte den Männern ihren Rücken zu. Nur am Rande bekam sie mit, dass sich ihr Bruder wieder einmal über ihr unhöfliches Benehmen beklagte. Anne blieb stehen, sobald die Männer sich dem Haus zuwandten und blickte ihnen verwirrt hinterher. Miraj war niemand anderer als der Mann aus ihrem Traum. Daran gab es keinen Zweifel.
     

Kapitel 3: Miraj
    Wie erhofft brachte Henris Besuch Abwechslung in den Alltag auf dem Hof. Wenn ihr Bruder zu Hause war, gingen Anne und ihr Vater ebenfalls morgens aufs Feld, um die Ernte einzuholen, kehrten jedoch bereits am frühen Nachmittag zurück. Henri blieb mit Miraj auf dem Hof und übte sich während ihrer Abwesenheit im Schwertkampf. Am Abend, nachdem dann auch die Tiere gefüttert und die anderen täglichen Arbeiten erledigt waren, setzten sie sich in der Stube zusammen. Während das Feuer im Kamin knisterte, berichtete Henri von seinen Studien, unterstützt von Miraj. „Im Fährtenlesen ist Henri begabt wie kein zweiter. Als wir neulich im Wald nahe der Universität auf die Suche nach verschiedenen Tieren gingen, kam eine Gruppe vom Weg ab und verirrte sich. Henri spürte ihre Fährte auf und fand sie binnen kurzer Zeit wieder.“ Auf solche Bemerkungen hin lächelten Henri und der Vater beide gleichermaßen stolz.
    Auch diesmal hatten die Männer allerlei zusätzliche Aufgaben und Botengänge für Anne, sobald ihr Gespräch an heikle Punkte stieß, sodass sie die interessanten Passagen verpasste. Sie merkte ihrem Vater an, wie froh er war, seinen Sohn im Haus zu haben, und wie sehr er die gemeinsame Zeit mit ihm genoss. Kaum, dass Henri vom Pferd gestiegen war, hatte ihr Vater eine Bemerkung gemacht, dass er seiner Mutter immer ähnlicher werde. Anne jedoch war sich da nicht so sicher. Sie erinnerte sich, dass ihre Mutter eine ebenso bescheidene und arbeitsame wie gütige Frau gewesen war. Das hatte ihr Bruder wohl nicht von ihr geerbt. Anne war der Meinung, Henri könne wenigstens bei seinem Besuch ein bisschen mit anpacken. Stattdessen hatte er ständig etwas auszusetzen. Bei der Ankunft hatte er Anne angeherrscht, sie solle beim nächsten Mal Fleisch auftischen und nicht so ein Arme-Leute-Essen. Als ob er nicht genau wüsste, dass sie nicht genug Geld hatten, um für solche Gelegenheiten Fleisch zu kaufen, und auch keines ihrer Tiere entbehren konnten. Und je länger er fort war, desto mehr häuften sich bei seiner Rückkehr Bemerkungen wie diese.
    Doch nun gab es etwas, das sie weit mehr beschäftigte als die Gemeinheiten ihres Bruders: Miraj. Wie war es möglich, dass sie einen Menschen jahrelang in ihren Träumen sah und ihm dann eines Tages tatsächlich begegnete? Anne war ständig zerstreut und fast dankbar, dass die Aufmerksamkeit ihres Vaters weitgehend seinem Sohn galt. Heimlich beobachtete sie Henris Lehrer. Wenn sie mittags das Feld verließ, um für ihre Familie und den Gast das Mittagsmahl zu bereiten, schlich sie ihm nach und verfolgte, was er tat. Wenn er nicht ihren Bruder mit dem Schwert trainierte, saßen sie zusammen am Tisch und lasen in geheimnisvollen Schriften. Einmal hatte sie ihn flach auf dem Boden liegen und Henri die dort abgemalten Fußspuren erläutern sehen. Oder Miraj war in seinem – ihrem – Zimmer und las. Eines Abends bei ihrer Rückkehr sah Anne ihn allein im Pferdestall stehen und auf seinen schwarzen Hengst einreden, der die Ohren aufstellte und ihm aufmerksam zuzuhören schien.
    Miraj seinerseits schien Anne gar nicht wahrzunehmen. Wenn er sich ihr gegenüber auch stets formvollendet verhielt, wirkte er doch meist geistesabwesend und sein sorgenvolles Gesicht sagte Anne, dass er irgendeinen Kummer mit sich herumtrug. Auch hatte sie mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass er noch wesentlich älter war, als sie zunächst vermutet hatte: Bereits um die 30 Jahre. Kein Wunder also, dass er ein dreizehnjähriges Kind wie sie nicht beachtete. Und doch wurmte es Anne, dass der Bräutigam aus ihren Träumen sie nicht zu erkennen schien. Hätte er sie ebenfalls beobachtet, wäre Anne sicher gewesen, dass irgendwas nicht stimmte. Aber so waren ihre Träume wohl nichts als Hirngespinste einer allzu romantischen jungen Frau. Abends betrachtete sie sich nun immer häufiger im Spiegel. Ihr rotblondes Haar hatte sie tagsüber zu
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