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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting
Autoren: Sobo Swobodnik
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Dazwischen war Detmold, Tübingen, Neuss und Dinslaken. Die ganze Provinz eben. Zuletzt war er in Marburg gelandet, am Landestheater. Das war die Katastrophe.
    Als Arno merkte, dass das Früher bei Plotek nicht ankam, schwenkte er sofort auf das Heute um. Von da war es dann auch nicht mehr weit zum Morgen.
    Worum es eigentlich ging, war also nicht das Vergangene, das war eher Mittel zum Zweck, sondern das gegenwärtig Zukünftige. Worum es ging, war Altötting und die Geschäftsidee von Arno. Wie gesagt, Geschäftssinn. Arno legte seine zwei Handys auf den Tresen, und Plotek nippte einmal am Weißbier. Dann klingelte das eine Handy, ringring, Geschäftssinn. Aber denkste.
    »Privat!«, sagte Arno und dann: »Ja? Nein! Doch ich bin dran! Ja, ich hab doch gesagt. . . jajaja. . . das geht klar, jaaaa, nur noch eine Frage der Zeit. Aber selbstverständlich! Ich hab’s doch versprochen, ich weiß, gut, danke, servus!«
    Arno legte auf. Wobei man das heutzutage ja nicht mehr sagen kann. Das ist natürlich in den heutigen Zeiten, wegen der neuen Technologien und allem, nicht mehr korrekt, weil es keine Gabel mehr gibt. Höchstens in diesem Fall einen Tresen. Aufgelegt auf dem Tresen? Auf jeden Fall rückte Arno langsam mit der Wahrheit heraus, mit der Absicht und der dahinterstehenden Idee. Der anfängliche Zufall, abends um elf im Froh und Munter – »Das ist aber eine Überraschung!« –, stellte sich als totale Berechnung heraus. Es war also keine Überraschung, sondern alles minutiös geplant. Soll heißen, es war nichts als gespielte Freude. Selbst das war Plotek völlig egal.
    Arno wollte etwas von Plotek. Und Plotek wollte noch immer nichts, weder von Arno, noch von sonst jemandem. Er wollte nur trinken.
    »Susi, noch eins, das geht auf mich! Alles geht heut auf mich!«, warf Arno Susi über den Tresen hin. »Und bring noch zwei Tequila.«
    Bis die zwei Tequilas da waren, ging Arno dann mit den beiden Handys auf das Klo. Als ob er von da aus seine Strategie noch einmal durchtelefonieren wollte. Geschäftssinn eben. Als er zurückkam, standen die Tequilas dann auf dem Tresen.
    »Prost!«, rief Arno Plotek zu.
    Der nickte nur und schluckte dann die Zitrone, ohne das Gesicht zu verziehen, mitsamt der Schale hinunter. Arno sagte: »Ähhhh!« Plotek schwieg.
    »Wie auch immer, hör mal zu!«, fing Arno an und reihte einen Gedanken an den anderen, bis Plotek eine Gedankenkette, so lang wie von München nach Altötting, um den Hals hängen hatte. So dass auch Plotek nicht mehr anders konnte, als zu verstehen.
    »Der dritte Judas in sechs Wochen«, sagte Arno, »stell dir das mal vor!«
    Pause. Sekundenlang nichts. Plotek hatte es sich vorzustellen versucht, war aber gescheitert. Ohne einen Zusammenhang lassen sich Bruchstücke nun mal nicht verstehen. Auch beim allerbesten Willen nicht. Und der war bei Plotek ohnehin Mangelware. Quasi nicht vorhanden.
    Also holte Arno noch einmal aus, um Plotek ordentlich auf die Sprünge zu helfen.
    »Und jetzt stehen die Passionsspiele auf der Kippe. Eine Woche bevor der Vorhang hochgeht. Alle Karten sind schon verkauft. Stell dir das mal vor, ausverkauft. 21 Vorstellungen und kein Platz ist mehr frei. Sensationell! Aber ohne Judas ist das natürlich nicht zu machen. Ohne Judas ist jeder Jesus undenkbar. Ohne Judas kein Verrat, ohne Verrat keine Kreuzigung, ohne Kreuzigung keine Auferstehung und ohne Auferstehung keine Passionsgeschichte. Ergo: Ohne Judas keine Festspiele. Ja, gut, auf einen Johannes könnte man vielleicht noch verzichten. Aber der Judas ist eine tragende Rolle. Aber was erzähl ich denn, du kennst dich ja aus, du bist ja in der katholischen Mythologie zu Hause.«
    »Oberammergau!«, fiel es Plotek wie ein Rülpser aus dem Mund.
    »Was?«, fragte Arno nach, als ob er sich verhört hätte.
    » Oberammergau!«
    »Nein, Altötting. In diesem Jahr gibt es die Passionsfestspiele das erste Mal auch in Altötting. Das ist ein Riesengeschäft. Fünfzigtausend Besucher extra. Mit Übernachtungen und allem Pipapo. Außerdem isst jeder wenigstens eine Altöttinger Bratwurscht. Macht zusammen fünfzigtausend Bratwurscht. Mindestens. Bei dreifünfzig das Stück ist das ein gigantisches Geschäft. Von den Getränken ganz zu schweigen. Und den Andenken. Rosenkränze und Schneekugeln. Und das soll jetzt alles dahinsein. Katastrophal! Und nur weil kein Judas aufzutreiben ist. Der dritte in sechs Wochen. Der erste ist vom Dach gefallen. Ein dummes Missgeschick war das. Na ja, der war
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