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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting
Autoren: Sobo Swobodnik
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ihres Handys an. Dabei gelang es ihr durch Drohungen, das Opfer so zu erschrecken, dass der Zimmermann aus dem Gleichgewicht geriet, ausrutschte und vom Giebel eines mehrstöckigen Hauses fiel. Sofort tot. Nächster Mord: Sie erschlug mit einem Eisenstück den Penny-Verkäufer Friedrich M. (36). Anschließend stieß die Mörderin das Opfer zwischen die Schalungstafeln der im Bau befindlichen Mehrzweckhalle. Tragisch: Am nächsten Morgen wurde seine Leiche einbetoniert. Den letzten Mord beging die Darstellerin der Jungfrau Maria während der Generalprobe zu den Altöttinger Passionsspielen. Durch eine mit Blausäure präparierte Hostie kam der Bartholomäus-Darsteller Richard Sch. (48) qualvoll ums Leben. Anschließend richtete sich die Serientäterin Veronika Z. selbst. Sie erhängte sich am Glockenturm der Gnadenkapelle. Über ein Motiv rätselt nicht nur die Kriminalpolizei. Auch für die Altöttinger Bürger sind die Taten der jungen Frau unverständlich. »Sie war immer zuvorkommend. Niemand kann sich das erklären!«, so der Erste Bürgermeister Brunner der Stadt. Die Passionsspiele wurden, nicht zuletzt durch ganz hervorragende darstellerische Leistungen, trotzdem zu einem Riesenerfolg.

    Der Kopf hinter der Zeitung ist zurückgekommen und Plotek war fertig mit dem Artikel. Anschließend ging er selbst auf die Zugtoilette, um sich von den zuvor gegessenen Altöttinger Bratwürschten zu befreien. Mit den vorbeirauschenden Schienen unter sich im Ohr, dachte Plotek noch, da kann man mal wieder sehen, was aus der Realität alles gemacht werden kann. Was schlussendlich bleibt, ist nichts als ein brauner Haufen. Also hat er schnell gespült und ist wieder raus aus der Toilette.
    Dann hat er vom Zugtelefon aus seinen Anrufbeantworter angerufen. Das war natürlich nicht ganz so einfach, weil Plotek bei seinem saumäßigen Gedächtnis die eigene Telefonnummer nicht mehr eingefallen ist. Er rief also zuerst die Auskunft an und dann erst den Anrufbeantworter. Und der war voll mit zwei Stimmen. Die erste war die von der Merz Monika – zuerst ärgerlich, dann weniger ärgerlich und zuletzt rührselig. Geschluchzt hat sie und Plotek auf den Anrufbeantworter ihre Liebe hinaufgeredet.
    Die andere Stimme hat der Sekretärin vom Intendanten der Münchner Kammerspiele gehört, und die hat ihn immer wieder aufgefordert, doch endlich dem Angebot der Kammerspiele nachzukommen. Zuerst war sie freundlich, dann weniger freundlich und zuletzt richtig mürrisch. Aber egal. Plotek hat wieder aufgelegt und ab da den Anrufbeantworter nicht mehr abgehört. Sein Entschluss war sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall klar. Plotek dachte einerseits, vergangen und vorbei, also bloß nicht. Und andererseits: Warum Münchner Kammerspiele? Warum Theater? Nichts ist ihm eingefallen, was seinen Entschluss, nie wieder
    Theater, nie wieder Bühne, hätte ernsthaft in Gefahr bringen können. Also hat er sich in den Sitz fallen lassen und bei der rollenden Minibar ein Mineralwasser bestellt. Die froschgrüne Flasche stand auf dem Klapptischchen und – Himmelherrgott! Das Etikett! G T, zwei Kreuze, zwei Kreise. Plotek war plötzlich wie vom Blitz getroffen, aber nur kurzzeitig, weil auf der Rückseite dann schon die Erklärung stand. Gerolsteiner Tafelwasser stand da. Also G für Gerolsteiner und T für Tafelwasser, also nichts mit Topf und Granz, was so viel bedeutet wie weder verheiratet noch verlobt, sondern einfach nur Zufall. Aber vergiss es.
    Plotek hat die Beine hochgelegt und sich vorgenommen, endlich auszuspannen, und dann würde es schon irgendwie weitergehen. Wie? Man wird sehen, dachte Plotek und schloss die Augen, während der Zug durch die Schweiz fuhr.
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