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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting
Autoren: Sobo Swobodnik
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Dorfmerkingen gekickt, dann beim FC Bopfingen und zuletzt beim VFR Aalen in der A-Jugend Oberliga, mit Perspektive auf den VFB Stuttgart. Bundesliga. Zwei Jugendnationalmannschaftseinsätze gingen auf sein Konto. Der Karriere stand also nichts mehr im Wege – bis auf den Trecker. Der Trecker von Ploteks und der Geschäftssinn von Ploteks Bruder. Mit 13 ist der schon mit dem großen Deutz gefahren. Der Vater war stolz, die Mutter war stolz, und Plotek hat geschrien, dass es das ganze Dorf mit anhören musste. Er lag draußen auf dem Feld, in der Wiese, im Gras, weil er mal wieder braun werden wollte, wegen der Eitelkeit und allem, und ist eingeschlafen. Er hat von seiner Karriere geträumt, von der Nationalmannschaft, von den Länderspielen, der Weltmeisterschaft, von Ruhm, Erfolg und der Unsterblichkeit. Na ja, das sollte man eben nicht tun. Sonst hätte er den Bruder bestimmt gehört, mit seinem Deutz und dem Mähbalken dran. Der Bruder hat ihn nicht gesehen und ist das Feld hochgefahren, ist das Feld runtergefahren und wieder hoch und dann Plotek über beide Oberschenkel. Es hat zweimal Knack gemacht und die Karriere war erledigt – so schnell kann’s gehen.
    Plotek konnte zwei Jahre nicht mehr richtig gehen, geschweige denn spielen. Danach war’s zu spät für den Profisport. Obwohl Plotek noch Glück gehabt hat im Unglück. Wenn der Bruder ihn nämlich mit dem Mähbalken erwischt hätte, dann . . . oh, oh. Dann wäre nicht nur die Karriere hin gewesen, sondern der ganze Plotek Geschnetzeltes. Das war Plotek allerdings egal. Der Fußball war sein Leben, und nahm man ihm den Fußball weg, war es auch kein Leben mehr. Also, kein Glück im Unglück, sondern Depressionen. Es wäre besser gewesen mit dem Mähbalken, hat Plotek anfänglich gedacht. Bei so einem Denken fangen dann die Depressionen an. Eigentlich verständlich. Und wo Depressionen sind, ist die Psychologie nicht weit. Klopfklopf. Schon war der Psychologe da.

    Die Depressionen gingen, aber die Karriere war trotzdem zu Ende. Beim Fußball ist es wie mit dem Spagat. Ohne tägliche Übung knackt’s am Wochenende zwischen den Beinen. Mit zwei Jahren ohne Übung ist es letztendlich aussichtslos. Außerdem sind zwei Jahre ohne Fußball beim Fußball wie zwanzig normale Jahre. Deswegen gehen Fußballer auch mit 32 in Rente. Die Knochen sind kaputt, die Bänder im Arsch und die Achillessehne meistens auch. Gut, Ausnahmen gibt’s. Überall. Aber mal ehrlich, Fußballer mit 40? Matthäus, ja, aber sonst? Na also. Seither gab’s für Plotek nur noch Fußball im Fernsehen und manchmal auch im Stadion. Aber auch das immer seltener, weil bei Plotek nach dem Unfall die Macken anfingen. Was so viel bedeutet wie Eigenartigkeiten, Verschrobenheiten und Menschenscheu. Quasi Menschenabscheu. Plotek war nicht mehr gruppenkompatibel. Bei mehr als 30 Menschen auf einem Haufen ist er immer ausgerastet, hat Schweißausbrüche bekommen, Zittern, Stottern, Angstgefühle. Schrecklich.
    Anfänglich haben darüber alle noch gelacht. Plotek wird immer eigener, hat es geheißen. Offiziell. Inoffiziell dagegen: Plotek spinnt. Deswegen hat die Mutter auch keine Chance mehr gehabt mit ihrem Priester. Plotek hat sich durchgesetzt. Aber nicht nur wegen der Spinnerei, sondern vor allem wegen seinem Dickschädel. Er hat exakt den gleichen Dickschädel wie der Vater. Nichts wurde ihm vererbt außer dem Dickschädel. Äußerlich war Plotek aus der Art geschlagen. Weder hat er die Nase von der Mutter, noch die Gesichtszüge vom Vater. Auch kein Opa ist bei ihm drin. Die Oma auch nicht, weder mütter- noch väterlicherseits. Wieder ganz anders Ploteks Bruder, der war ganz die Mutter vom Aussehen her und der Vater vom Verhalten. Deswegen war er auch besser geeignet für die Landwirtschaft. Er hat auch den Hof übernommen, geheiratet und einen Stall voll Kinder gezeugt. Plotek dagegen hat keine Kinder gekriegt, dafür aber die Heimat verlassen. Er ist raus aus der Schule und gleich hinein in die Schauspielerei. Trotz der Bedenken der Mutter und gegen den Willen des Vaters. Schwer haben's die Eltern, hat es verständnisvoll und offiziell geheißen. Inoffiziell: Jetzt ist Plotek ganz übergeschnappt,
    Plotek ist also nach München auf die Falkenbergschule. Erste Sahne war das, eine Ausbildung auf höchstem Niveau. Anfänglich war das eine ganz große Chance für ihn und seine Zukunft. Dann wurde es zu einer weniger großen. Zuletzt war es kaum noch eine.
    Jetzt ist er wieder in München.
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