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Althars Wolkenhort

Althars Wolkenhort

Titel: Althars Wolkenhort
Autoren: Horst Hoffmann
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den Spalt zwischen Tür und Balken.
    »Kannst du ihn jetzt allein halten, Nottr?«
    »Ich versuche es!«
    Mythor ließ vorsichtig los. Nottr stemmte sich unter das Eisen. Seine Zähne knirschten, aber er hielt das Gewicht. Mythor packte den Türgriff und zog daran. Knarrend drehte die schwere Tür sich in den Angeln. Sadagar hielt sich bereit, um auch dort den Rost zu entfernen. Es war nicht mehr nötig.
    Mythor ließ den Griff los, als die Tür so weit aufstand, dass Nottr den Riegel loslassen konnte. Der Lorvaner sprang zurück. Das schwere Eisen fiel knirschend nach unten und schlug auf den Boden.
    Noch einmal musste der Barbar aus den Wildländern mit anpacken. Er umklammerte mit Mythor den Griff und zog daran. Stück für Stück ließ die Tür sich öffnen, bis der Spalt so groß war, dass ein kräftiger Mann bequem eindringen konnte.
    Schnaufend ließen Mythor und Nottr los. Sie ließen sich auf den weichen Boden fallen, zwischen die Reste der herabgebrannten Schlinggewächse, und atmeten schwer. Mythors Herz hämmerte wild in seiner Brust und trieb ihm das Blut in den Kopf. Mit hochrotem Gesicht starrte er auf das Wunder, das er und Nottr vollbracht hatten.
    Der Hauch von etwas unendlich Fremdartigem und Überweltlichem schlug Mythor durch den Spalt entgegen. Die entscheidende Hürde würde er erst noch zu nehmen haben, das wusste er. Der Kampf um den Helm der Gerechten. Ehrfurcht erfasste Mythor, noch bevor er diesen Ort betrat, der für undenkliche Zeiten jedem menschlichen Wesen verschlossen gewesen war.
    Gab es einen Wächter in Althars Wolkenhort, der über die Schätze zu wachen hatte, die der Lichtbote zurückgelassen haben mochte? War dieser Wächter jetzt schon dabei, sich für den Kampf zu rüsten, aus einem vielleicht Jahrtausende währenden Schlaf gerissen durch die Eindringlinge?
    Kalathee war an Mythors Seite. Zärtlich strich sie ihm durch das verklebte Haar und wischte ihm den Schweiß aus dem Gesicht. Er blickte in ihre Augen und sah unterdrücktes Verlangen, Angst und Ehrfurcht in ihrem Blick, vor allem aber die Angst um ihn.
    »Muss es sein, Mythor?« fragte sie flüsternd.
    Mythor zog sie an sich heran und küsste sie auf die Wange. Lange sahen sie sich in die Augen, und diese sprachen das aus, wozu Worte nicht in der Lage waren.
    »Ja, Kalathee«, sagte Mythor dann leise, aber entschlossen. »Es muss sein.«
    Und erwünschte sich, dass sie eines Tages, wenn sich ihre Wege trennten, den Mann finden würde, den sie verdiente. Den Mann, der sie verwöhnte und all ihre Liebe erwiderte.
    Den Mann, der stark genug war, ein so zerbrechliches Wesen wie sie in dieser Welt des Bösen zu beschützen.
    Er stand auf. Noch einmal blickte er am bronzefarbenen Turm empor, bis hinauf zur Wolke, die die Spitze niemals freigab. War dies sein Ziel: die vor den Augen der Menschen verborgene Spitze des Wolkenhorts? Mythor erschauerte.
    Die anderen sahen ihn fragend an. Sie alle wussten, dass nur er die Entscheidung zu treffen hatte, von der wahrscheinlich ihr aller weiteres Schicksal abhing. Noch gab es ein Zurück.
    Mythor schüttelte energisch den Kopf, als habe er ihre Gedanken gelesen.
    Flüchtig dachte er noch einmal daran, dass der Rauch und der Lichtschein des nächtlichen Feuers Neugierige angelockt haben könnten, die vielleicht gerade jetzt auf dem Weg hierher waren. Ein Grund mehr für ihn, keinen Augenblick länger zu zögern.
    »Gehen wir«, sagte er, das Gläserne Schwert wieder fest in der Hand.
    Er trat als erster durch den Türspalt durch das Tor zu einem der geheimnisvollsten Plätze dieser Welt. Nicht einmal Nottr fand mehr die Flüche, die das ausgedrückt hätten, was jetzt in ihm vorging, als die Gefährten Mythor hintereinander folgten.
    *
    Schweigend standen sie in einer Halle. Die vier Menschen hatten, nachdem sie durch die halb offene Tür getreten waren, einen drei Schritt langen Korridor passieren müssen.
    Es war unerwartet hell hier drinnen. Zum von draußen einfallenden Licht kam ein weißliches Leuchten, das von in seltsamen Mustern angeordneten faustgroßen Steinen ausging, die direkt aus den Wänden herauszuwachsen schienen. Mythor fühlte sich wieder an die Gruft der Gwasamee erinnert.
    Irgend etwas sagte ihm, dass diese weißen Steine ihr helles Licht seit der Zeit spendeten, zu der der Wolkenhort verschlossen worden war.
    Und welche Pracht sie zeigten!
    Der Blick der Gefährten wanderte an den Wänden entlang. Die ganze Halle war voller erlesener und fremdländischer
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