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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin
Autoren: Maxime Chattam
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tränenerstickter Stimme. »Ich will nicht, dass ich diese Karte bin, ich will nicht erwachsen werden, wenn ich mich dann in eine Zynik verwandle!«
    »He, keine Angst, das wird nicht passieren. Ich werde da sein, um dich zu beschützen, ich werde dir helfen, du selbst zu bleiben.«
    »Das sind solche Unmenschen! Ich will nicht werden wie sie!«
    Da tat Matt etwas, womit er selbst nie gerechnet hätte: Er küsste Ambre ganz leicht auf die Stirn.
    »Du bist nicht allein. Ich bin bei dir.«
    So blieben sie ein paar Minuten lang sitzen, Hand in Hand.
    Matt ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was Ambre ihm gerade erzählt hatte, und plötzlich traf es ihn wie der Schlag.
    »Moment mal«, stammelte er, »willst du damit sagen, dass der Unschuldstrinker dich …«
    Ambre drückte Matts Hand.
    »Er hat mich gezwungen, mich vor ihm auszuziehen, aber als er die Große Karte erkannte, hat er mich nicht angerührt und sofort eingewilligt, uns zu helfen.«
    »Was für ein widerlicher Kerl! Hätte ich das gewusst, hätte ich keine Gnade mit ihm gekannt!«
    »Der Fluss hat ihn vielleicht nicht wieder freigegeben«, sagte sie leise. »Er war es nicht wert, dass du seinetwegen zum Scharfrichter wirst, glaub mir.«
    »Ambre, es tut mir so leid, und das alles nur wegen mir, das ist …«
    Sie legte ihm den Zeigefinger an die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Erinnerst du dich an die ersten Worte, die du an mich gerichtet hast?«, fragte sie nach einer langen Pause.
    Matt dachte an den Moment zurück, in dem er aus dem Koma aufgewacht war und einen Engel vor sich gesehen hatte. Seine Wangen begannen zu glühen.
    »Ich glaube schon«, sagte er verlegen.
    »›Ambre, sei mein Himmel.‹ Was wolltest du damit sagen?«
    »Ähm … Ich weiß nicht«, log er. »Das lag bestimmt am Fieber.«
    »Ach so. Na dann. Verstehe.«
    Sie ließ seine Hand los.
    Als er die Stille nicht mehr aushielt, kam Matt auf den Beginn ihrer Unterhaltung zurück.
    »Morgen werden wir in Eden sein. Wir müssen ihnen alles erklären. Die Hautjagd, den bevorstehenden Krieg …«
    »Eine wichtige Frage ist aber immer noch offen«, bemerkte Ambre. »Warum sie dir auf den Fersen sind! Denn wenn ich die Karte auf mir trage, die sie suchen, warum ist dann dein Gesicht auf sämtlichen Anschlägen im Königreich der Zyniks abgebildet?«
    Matt holte tief Luft.
    Ihm war soeben klargeworden, dass sie den ganzen weiten Weg bis hierher gekommen waren, ohne die Antwort auf ihre brennendste Frage gefunden zu haben.
    Weil ich vor dem einzigen Menschen, der sie mir liefern kann, geflohen bin.
    Als Gefangener hätte er die Kerker der Königin nicht mehr verlassen, das wusste er. Nur wenn er als freier Mensch vor sie trat, würde er seine Antwort bekommen.
    Aber diese Möglichkeit verwarf er vorerst wieder.
    »Wir sollten schlafen, wir haben morgen einen langen Tag vor uns«, sagte er und stand auf.
     
    Am späten Vormittag des nächsten Tages erreichten sie den Gipfel eines Hügels. In der Ebene unter ihnen erstreckten sich leuchtend gelbe Weizenfelder.
    Und am anderen Ende dieser goldenen Schatzkammer erhob sich eine Stadt.
    Eine gewaltige Ansammlung von Häusern und Zelten, die von einem in der Sonne glitzernden Fluss geteilt wurde.
    Alle Straßen und Gassen liefen auf einen zentralen Platz zu, auf dem ein mächtiger Baum stand und seine Äste wie ein jahrtausendealter Wächter über die Viertel der Stadt ausbreitete.
    In den Obsthainen, die das Häusergewirr umschlossen, wuselten bereits Hunderte winziger Gestalten umher, um die saftigen Früchte zu pflücken.
    Ein kleines Paradies mitten im Nirgendwo.
    Eden.

[home]
    Epilog
    E in eiskalter Windstoß fegte durch den Saal. Die hohen, schmalen Fenster, hinter denen ein roter Himmel leuchtete, ließen so wenig Licht herein, dass die Kandelaber auch tagsüber brannten und die Wandbehänge im Halbdunkel verschwanden.
    Ein Mann trat ein und durchquerte den Saal. Er trug ein purpurnes Kissen, auf dem ein Diadem aus kostbaren Edelsteinen ruhte. Als er die Stufen erreichte, die zum Thron hinaufführten, kniete er nieder.
    Die Angst vor dem Mann, der ganz in seiner Nähe stand, schnürte ihm die Kehle zu. General Twain, der rechte Arm der Königin, war für seine Gnadenlosigkeit und Brutalität berüchtigt.
    Als Twain auf ihn zutrat, schien seine Rüstung lebendig zu werden. Man munkelte, dass sie aus tausend Einzelteilen bestand, die perfekt ineinandergriffen und seinem Körper so genau angepasst waren, dass der
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