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ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)

ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)

Titel: ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
Autoren: Maxime Chattam
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Ladeninnere war noch viel schauriger, als man es von außen vermutet hätte. Holzregale säumten die Wände und erstreckten sich kreuz und quer im Raum, den sie auf diese Weise in ein Labyrinth verwandelten. Hunderte, ja Tausende von Gegenständen lagen wild durcheinander: aller möglicher Krimskrams, Briefbeschwerer in Statuenform, Schmuck, der genauso alt war wie der Laden, Bücher in rissigen Ledereinbänden, getrocknete und in Glaskästen aufgespießte Insekten, schwarz angelaufene Gemälde, wacklige Möbel, und das alles unter einer beeindruckend dicken Staubschicht, die aussah, als läge sie schon seit Jahrhunderten unberührt da. Am merkwürdigsten war dabei allerdings die Beleuchtung, stellte Matt fest. Eine einzige, funzlige Glühbirne, die verloren über dem Durcheinander baumelte, verbreitete nur einen schwachen Schein und tauchte den übrigen Raum in ein geheimnisvolles Halbdunkel.
    »Ich finde, wir sollten uns vom Acker machen«, flüsterte Tobias und betrachtete unruhig die Decke.
    Wortlos ging Matt um die erste Reihe von Regalen herum, in denen Briefmarkensammlungen, Schmetterlinge und Gefäße voller bunter Kugeln ausgestellt waren, die plötzlich Tobias’ Aufmerksamkeit auf sich zogen.
    Matt sah sich im Laden um, ohne auch nur das geringste Anzeichen menschlicher Gegenwart auszumachen. Der Bazar schien unendlich lang zu sein, aber schließlich kam es ihm doch so vor, als hörte er ein Murmeln vom hinteren Ende des Raums.
    Tobias packte ihn am Arm.
    »Komm, ich glaube, wir gehen besser. Ich lasse mich lieber von Newton einen Angsthasen nennen, als hier irgendwas zu klauen.«
    »Wir werden nichts klauen«, antwortete Matt und setzte sich in Bewegung. »Du kennst mich, so bin ich nicht.«
    »Aber was willst du dann hier?«, fragte Tobias verzweifelt.
    Matt erwiderte nichts, sondern ging in die Richtung weiter, aus der er die Stimmen gehört hatte.
    Matts Schweigen brachte Tobias noch mehr aus der Fassung als die Umgebung, und er blieb wie gelähmt stehen. Er schwankte zwischen einer bohrenden Angst, die ihm befahl, sich sofort aus dem Staub zu machen, und seiner Faszination für die unzähligen Kugeln, die zart in ihren gläsernen Behältern schimmerten. Wie viele gab es wohl davon? Tausend vielleicht, oder zweitausend, das konnte man unmöglich sagen. Manche funkelten violett und orange oder schwarz und gelb, wie unheimliche Augen.
    Da bemerkte er plötzlich, dass sein Freund tiefer in den Laden vorgedrungen war, und lief ihm hinterher, weil er auf keinen Fall allein bleiben wollte.
    Die Kugeln drehten sich, sie schienen ihm mit dem Blick zu folgen. Mit einem erstickten Schrei hielt Tobias inne und beugte sich vor, um sie aus der Nähe zu untersuchen. Nichts. Sie lagen reglos da, wie einfache Kugeln. Er hatte geträumt. Ja, das musste es gewesen sein: eine optische Täuschung oder ganz einfach eine Laune seines Gehirns, hervorgerufen durch die Angst. Beruhigt richtete er sich auf. Nichts war passiert. Alles okay, das Ganze war nichts weiter als das verrückte Sammelsurium eines alten Griesgrams. Ja, alles im grünen Bereich.
    Er rannte seinem Freund nach, der soeben hinter einem Stapel jahrhundertealter Bücher verschwunden war.

    Matt ging über den welligen Holzboden und lauschte auf die lauter werdende Stimme. Jemand sprach klar und deutlich, wie ein Nachrichtensprecher.
    Je näher er dem Geräusch kam, desto stärker wurde sich Matt bewusst, dass er nicht zufällig hier war. Normalerweise wäre es ihm nicht im Traum eingefallen, Newtons Herausforderung anzunehmen, er hätte sie schlicht und ergreifend ignoriert. Matt hatte sich von solchen Dummheiten immer ferngehalten, denn er hatte ein gutes Gespür dafür, was er tun und was er lieber lassen sollte. Aber diesmal tat er genau das, was er lieber lassen sollte . Warum? Weil er seit mehreren Tagen, ja mehreren Wochen merkwürdig gereizt war. Seit sein Vater ihm gesagt hatte, dass er in ein anderes Viertel ziehen werde und sie sich anfangs nicht sehr oft sehen würden. Danach, »wenn sich alles wieder eingerenkt hat«, könne Matt bei ihm wohnen … sofern seine Mutter sie in Ruhe ließe. Diese letzte Bemerkung hatte Matt nicht besonders gefallen. Am nächsten Tag hatte ihm seine Mutter eine ähnliche Rede gehalten: Er werde bei ihr wohnen bleiben, auch wenn sein Vater das Gegenteil sage. Seine Eltern waren schon immer sehr verschieden gewesen – sie kam vom Land, er war ein Stadtmensch, sie stand gern früh auf, er ging lieber spät ins Bett,
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