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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
Autoren: Nina Suslik
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augenblicklich setzte mein Puls wieder für ein paar Sekunden aus. Sein Blick war noch so versteinert wie bei unserem ersten Zusammentreffen und jede Bewegung von ihm wirkte mechanisch und bedrohlich. Er blieb direkt vor der Tür stehen und starrte mich an. Meine Hände begannen erneut zu zittern, so wie sie es immer taten, wenn ich die Panik in mir aufsteigen spürte. Sekunden vergingen und Ibrahim sagte nichts. Ich bekam das Gefühl, er wollte mich bewusst einschüchtern. Irgendetwas in ihm schien mich vom ersten Moment an zu verachten, so wie etwas in mir von der ersten Sekunde an Angst vor ihm hatte. Eine Angst, die ich aber nicht zeigen wollte. Ich hatte genug überstanden, um mich nicht klein und schwach fühlen zu müssen. Zumindest redete ich mir das in diesem Moment ein.
    Eine weitere Sekunde verging und als er immer noch schwieg, nahm ich meinen Mut zusammen und ergriff das Wort.
             „Man hat uns gesagt, wir dürften jetzt in die Stadt.“ Meine Stimme klang schwach und ich verlagerte mein Gewicht leicht von einem Bein auf das andere. Ich wirkte schon auf mich selbst verunsichert. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert.
             „Es gab eine Planänderung. Ihr werdet erst morgen in die Stadt fahren. Ich werde euch jetzt zu euren Freunden bringen und danach möchte Rubinov dich noch einmal sehen.“
             „Was?“ Stieß ich aus. Ich hatte ihn zwar klar und deutlich verstanden, doch mein Verstand war schon nach der Hälfte seiner Worte wie erstarrt. Wir würden jetzt unsere Freunde wiedersehen? Jetzt gleich? Ich konnte es kaum fassen. Ein Glücksgefühl überkam mich und ich schlug die Hände vor den Mund, in dem verzweifelten Versuch, die Fassung zu wahren.
             „Ich bringe euch jetzt zu ihnen und danach erwartet dich Rubinov.“ Er ging einen Schritt von der Tür weg, um uns durchzulassen und seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Ich nahm die Hände vom Gesicht und atmete tief durch. Es war endlich soweit. Das war kein Trick. Veit sah kurz zu mir, mit etwas in den Augen, was ich für leichte Besorgnis hielt und verließ dann den Raum als Erster. Ich folgte ihm.
    Ibrahim führte uns durch einen der unzähligen, grauen Gänge, die einem stetig das Gefühl gaben, in einem Kriegsbunker zu sein. Keine Fenster, nackter Beton unter unseren Schuhen und ein kaltes, bläuliches Licht, das von der Decke strahlte. Ab und zu flackerte es, wie in einem alten Horrorfilm und es fing langsam an mir Kopfschmerzen zu bereiten. Wir waren auf keinen Fall länger als fünf Minuten unterwegs aber es kam mir vor, als wäre die Zeit stehen geblieben und fing nun langsam an rückwärts zu laufen. Veit sah immer wieder zu mir rüber. Der Blick in seinen Augen war weich und er hatte einen Mundwinkel nach oben gezogen. Wie ich aus seinem Gesichtsausdruck las, sah er mir die Aufregung deutlich an. Ich war einfach nur dankbar, als er das Wort ergriff und endlich die unangenehme Stille durchbrach, die schon die ganze Zeit herrschte.
             „Geht's den anderen gut?“ Es war eine banale Frage, auf die wir die Antwort schon kannten. Würde es ihnen nicht gut gehen, dürften wir vermutlich auch nicht zu ihnen. Dennoch waren Rubinovs Worte in meinem Kopf noch sehr gegenwärtig. Sie sind größtenteils in einigermaßen guter Verfassung. Das schloss nicht aus, dass mindestens Einer von ihnen schwerer verletzt war. Veit wusste davon aber nichts. Sofort drängten sich die schlimmsten Bilder in meinen Verstand, von Verbrennungen und Verstümmlungen. Ich konnte die Hitze von den Feuerbomben der Dronen wieder auf meiner Haut spüren und wie es sich anfühlte, über den abgetrennten Arm des Soldaten zu stolpern. Die Erinnerung an den Anblick überlagerte alle Bilder aus meiner Fantasie. Ich schloss die Augen und schüttelte kurz den Kopf. Meine Hände hatten bereits wieder zu schwitzen begonnen und das Atmen fing an mir schwer zu fallen. Das war nicht gut. Ich wusste schon jetzt, wovon ich träumen würde, wenn mich nicht wieder starke Tabletten in ein traumloses Halbkoma schicken würden. Ibrahim ließ Veits Frage unbeantwortet und die Stille setzte sich fort. Veit seufzte nur und ließ es mit einem Schulterzucken auf sich beruhen. Das war ungewöhnlich für ihn, doch vermutlich sah er keinen Sinn darin die Stille um jeden Preis zu brechen. Ich hoffte nur, dass es allen gut ging und meine schlimmsten Befürchtungen sich nicht bewahrheiten würden. Rubinovs Satz konnte vieles
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