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Alte Feinde Thriller

Titel: Alte Feinde Thriller
Autoren: Duane Louis
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Körper gelöst. Und kann alles sehen, was ich seit meiner Geburt getan habe, von der Kindheit über die Pubertät bis zum Erwachsenenalter.
    Doch was komisch ist: Ich kann mich an nichts davon richtig erinnern.
     
    Da bin ich, wie ich auf der Sofakante balanciere, Arme und Beinen ausgebreitet, als wäre ich ein Superheld und könnte fliegen. Da bin ich, wie ich mit meinem Bruder kämpfe, wir wälzen uns auf dem Boden, als wäre ich Spiderman und er Hulk und …

    Seht ihr das? Mein Bruder.
    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen Bruder hatte.
    Aber irgendwie habe ich einen.
    In diesem Leben habe ich offensichtlich auch zwei Schwestern - eine zehn Jahre, die andere zwölf Jahre jünger. Ihre Namen liegen mir auf der Zunge, doch ich schaffe es nicht, sie auszusprechen. Sie sind mir vertraut und fremd zugleich. Ich kenne sie und wieder auch nicht.
     
    Ich habe immer noch einen Vater.
    Da ist er, und versucht, mir das Gitarrespielen beizubringen. Drei winzige Finger auf dem Griffbrett, die Mühe haben, den C-Dur-Akkord zu formen, die Grundlage aller Rockgitarren-Akkorde, das Erste, was man lernt.
    Und da ist er, wie er mir das bisschen, was er übers Klavierspielen weiß, beibringt, denn er findet, dass er in der Band einen Keyboard-Spieler gebrauchen könnte statt eines zweiten Gitarristen.
    Da bin ich, wie ich zusammen mit meinem Vater meinen ersten »Auftritt« habe, als ich neun Jahre alt bin.
    Und da bin ich, wie ich mit der Band meines Vaters auf einer Hochzeit spiele. Ich bin fünfzehn, und mein Vater lebt noch. Wir tragen Smokinghemd und Kummerbund.
    Er lebt! Wie ist das möglich?
    Keine Frage, da ist mein Vater, im Anzug, auf meiner
Highschool-Abschlussfeier. Ich möchte Schriftsteller werden, doch fürs Erste kann ich mit der Musik mein Geld verdienen. Meine Geschichten schreibe ich in der Freizeit. An den Wochenenden übe ich und gebe Konzerte. Schließlich verlasse ich die Band und werde Journalist. Nur ganz selten setze ich mich noch ans Klavier, aber ich höre ständig Musik.
    Ich rufe wahllos unzählige Erinnerungen ab, aus einem Leben, an das ich mich nicht erinnern kann.
    Ich erinnere mich daran und zugleich auch nicht.
     
    Ich bin immer noch tot - und doch am Leben. Es gibt dort draußen eine andere Ausgabe von mir, die ein Leben lebt, in dem mein Vater nicht gestorben ist.
    Diese andere Ausgabe von mir ist verheiratet.
    Sie ist mit einer jungen Lehrerin namens Meghan verheiratet. Ihr Vater ist ein einflussreicher Anwalt mit Sitz in der Innenstadt. Sie hat ihr wunderschönes langes blondes Haar abgeschnitten.
    Und wir haben zwei Kinder.
     
    Ich denke immer noch, dass ich jeden Moment aufwache. Doch bin ich dann immer noch tot, wenn ich aufwache?
     
    Nach einer Weile dämmert mir, dass dieses Leben, an das ich keine Erinnerung habe, einen Sinn ergibt, wenn Grandpa Henry es geschafft hat, in die Vergangenheit zu reisen und etwas zu ändern.

    Etwas Großes. Etwas, das die Wirklichkeit in eine andere Richtung gelenkt hat. Etwas, das den Lebensweg vieler Menschen verändert hat. Meinen. Den meines Vaters. Meghans. Das der Geschwister, von deren Existenz ich nichts wusste. Das Leben aller hat sich verändert. Alle sind zwei Schritte nach rechts getreten und haben weitergemacht, als hätte es ihre anderen Lebenswege nie gegeben.
    Für einen kurzen Moment frage ich mich sogar, wo Schleudertrauma-Walt wohl gerade steckt? Ist er mit einer anderen Klientin verheiratet? Denn Anne, meine Mutter, ist immer noch mit meinem Vater verheiratet. Sie hat vor ein paar Jahren mit dem Rauchen aufgehört, unseren Kindern zuliebe. Kinder, von denen ich nicht wusste, dass wir sie überhaupt haben. Ich bin in einem Haus voller Zigarettenrauch aufgewachsen, doch seitdem hat sie einiges darüber gelesen. Sie weiß jetzt, dass Rauchen tödlich sein kann. Also hat sie damit aufgehört.
     
    Ich rufe weitere Erinnerungen ab. Denn ich bin tot. Ich darf das.
    In diesem anderen Leben hat Erna Derace keine Kinder. Sie hat Victor nie kennengelernt, sie musste nie die schreckliche Erfahrung machen, ihr eigenes Kind zu Grabe zu tragen, nie ihrem anderen Kind das Leben zur Hölle zu machen. Sie führt ein ruhiges, einsames Leben. Sie zieht nie aus Frankford fort. Vielleicht hat sie nie Kinder kriegen sollen. Vielleicht aber doch, und sie hat es vermasselt und wird in ihrem alternativen Leben
dafür bestraft. Hin und wieder erhasche ich einen flüchtigen Blick auf sie, während sie auf der Frankford Avenue einkaufen geht, aber ich
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