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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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hierbleiben würde und wir rammeln könnten wie die Kaninchen?« Bei seiner Aussprache hört sich
rammeln
an wie
rummeln
.
    Beide drehen sich gleichzeitig zu Hannah um.
    »Na.« Elizabeth, die noch am Tisch sitzt, grinst verlegen. »Das hast du ja elegant ausgedrückt.«
    »Ich bitte um Vergebung.« Darrach, der an der Spüle steht, neigt den Kopf in Hannahs Richtung.
    »Ich bring Rory ins Bett«, verkündet Hannah.
    »Ich helf dir«, sagt Elizabeth. Im Vorbeigehen klopft sie |33| Darrach leicht auf den Hintern und schüttelt den Kopf. Im Wohnzimmer fragt sie Hannah: »Haben wir dich jetzt traumatisiert? Möchtest du jetzt am liebsten kotzen?«
    Hannah lacht. »Schon gut. Mir ist nicht schlecht.«
    Dabei ist die Vorstellung von Elizabeth und Darrach beim Sex durchaus nicht appetitlich. Hannah denkt an Darrachs braune Zähne und seine buschigen Augenbrauen und diesen kleinen Pferdeschwanz, und dann malt sie sich aus, wie er nackt in deren Schlafzimmer steht, groß und hager und blass, mit einer Erektion. Ob das Elizabeth antörnt? Möchte sie von ihm angefasst werden? Und macht es Darrach denn nichts aus, dass Elizabeth diesen breiten Hintern hat oder so viele graue Haare, die heute Abend von einem roten Tuch gebändigt werden? Haben sie vielleicht einen Tauschhandel gemacht – wenn ich dir gefalle, gefällst du auch mir – oder finden sie
wirklich
Gefallen aneinander? Wie kann das sein?
     
    Hannahs liebste Vorstellung von ihrem Vater ist diese: Nach dem College schloss er sich dem Peace Corps an und wurde für zwei Jahre in einem Waisenheim in Honduras eingesetzt. Es war in jeder Hinsicht eine schwierige Zeit; er war davon ausgegangen, dass er Englisch unterrichten würde, aber meistens musste er Kartoffeln schälen, um der Köchin zu helfen, einer älteren Frau, die sieben Tage die Woche täglich drei Mahlzeiten für 150 Jungen stemmte. Die Armut war unbeschreiblich. Die ältesten Jungen waren zwölf, sie flehten Hannahs Vater an, sie in die Vereinigten Staaten mitzunehmen. Im September 1972, kurz vor seiner planmäßigen Rückkehr, standen er und einige Jungen mitten in der Nacht auf, um im Radio zu hören, wie Marc Spitz bei den Olympischen Sommerspielen in München über 100 m Schmetterling schwamm. Das Radio war klein, der Empfang schlecht. Spitz hatte bereits mehrfach Weltrekorde |34| aufgestellt, Goldmedaillen über 200 m Schmetterling und 200 m Freistil eingeheimst, und als er schließlich wieder einen Rekord brach – indem er das Wettschwimmen mit 54,27 Sekunden gewann –, wandten sich alle Jungen Hannahs Vater zu und fingen an zu klatschen und zu johlen. »Nicht meinetwegen«, erklärte er ihr, »sondern weil ich Amerikaner war.« Trotzdem glaubte sie, dass der Beifall zumindest in Teilen auch ihm gegolten hatte: weil er stark und zuverlässig war, ein erwachsener Mann. Diese Fehleinschätzung übertrug sie auf alle Männer; Frauen hielt sie hingegen für leicht zimperlich.
    Was genau war in ihrem Vater vorgegangen, um ihn von einem Mann, den Waisenjungen in Honduras bejubelt hatten, zu jemand werden zu lassen, der neunzehn Jahre später seine eigene Familie aus dem Haus jagen würde? Wann immer ihre Mutter ihn gegen sich aufbringt – weil sie Huhn zubereitet hat, obwohl er Steak wollte, weil sie vergessen hat, seine Hemden aus der Reinigung abzuholen, obwohl sie es morgens versprochen hatte –, zwingt er sie, im Gästezimmer zu übernachten; sie schläft dann auf der linken Seite des Doppelbettes. Das kommt etwa einmal im Monat vor, meist für die Dauer von drei Nächten, und es geht mit einer deutlich angespannteren Atmosphäre einher. Nicht immer steigert sich ihr Vater in einen Tobsuchtsanfall hinein oder verspritzt Gift – manchmal genügt die bloße Drohung. In diesen Zeiten ignoriert er ihre Mutter ganz und gar, auch wenn sie weiterhin alle gemeinsam zu Abend essen, und befasst sich demonstrativ mit Allison und Hannah. Ihre Mutter weint ständig. Vor dem Zubettgehen spricht ihre Mutter im Elternschlafzimmer vor und bittet darum, zurückkehren zu dürfen; sie fleht und jammert. Als Hannah jünger war, stellte sie sich manchmal dazu und weinte gemeinsam mit ihrer Mutter. Sie schrie dann: »Bitte, Daddy! Lass sie bei dir schlafen!« |35| Ihr Vater schnaufte: »Caitlin, hol sie von der Tür weg. Bring sie weg.« Oder er sagte: »Ich an deiner Stelle würde nicht versuchen, die Kinder gegen mich aufzuhetzen, wenn dir die Familie wirklich etwas bedeutet.« Ihre Mutter flüsterte: »Geh weg, Hannah.
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