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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren
Autoren: Matthew Kneale
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wie angewachsen und sie noch nicht mal angeguckt, ich dachte, »ich kann dich nicht leiden, Mum.«
    Dann muss ich wohl eingeschlafen sein, weil, wie ich plötzlich aufgewacht bin, waren wir am Fahren. Jemima hat geheult, und Mum hat gesagt, »aber wir können nicht anhalten, Jems, mein Spatz. Wir sind auf der Autobahn.« Was passiert war? Jemima war auch eingeschlafen, und dann hat sie in den Kindersitz gepinkelt. Ich hab nichts zu ihr gesagt, weil ich immer noch nicht wieder mit ihr geredet hab, aber ich hab Hermann angeguckt, der in seinem Rad gelaufen ist, und ich hab zu ihm gesagt, »riechst du das, Hermann? Den ekligen Gestank? Das ist Jemimas Pipi.« Wie wir endlich zu einer Tankstelle gekommen sind, hat Mum den Bezug von dem Kindersitz abgenommen und in eine Plastiktüte gesteckt und dafür ein Handtuch reingelegt, sie hat Jemima die Strumpfhose und das Kleid ausgezogen und »armes Lamikin« gesagt. Jetzt war Jemima natürlich nicht mehr in ihrem Sonntagsstaat, wir passten überhaupt nicht mehr zusammen, und ich sagte zu Hermann, »ob der Mann von der Passkontrolle Jemima wohl durchlässt oder ob wir sie dalassen müssen?« Da fing Jemima an zu heulen, und Mum wurde sauer und sagte, »natürlich lässt er sie durch, du sollst doch deiner Schwester keine Angst machen«, was nicht fair war, weil ich ja gar nicht mit ihr geredet hab, sondern mit Hermann.

    Mum hat getankt und uns als Überraschung Schokoriegel und Bonbons für die Reise gekauft, und wie ich meine Süßigkeiten gegessen hab, hab ich mich plötzlich nicht mehr so geärgert wegen der Rennbahn und noch nicht mal wegen der Spielkonsole, ich dachte, »eigentlich hab ich sowieso keine Lust mehr auf Computerspiele.« Ich hab aus dem Fenster auf die Autobahn rausgeguckt, um zu sehen, ob Dad mit seinem gelben Auto hinter uns herfährt, aber er war nicht da, und dann war auf einmal alles wie neu. Ich dachte, »hurra, wir verreisen«, ich dachte, »Dad hat uns doch nichts getan, und jetzt sitzen wir im Auto, und da sind wir sicher, und wir fahren in ein Abenteuer bis nach Rom. Hurra hurra.«
    Wir waren schon fast am Kanaltunnel, wie was Schlimmes passiert ist. Wir waren gerade an dem Schild für den Tunnel vorbei, da hat Mum plötzlich gesagt, »ach du großer Gott, das hatte ich ja ganz vergessen. Was machen wir mit Hermann, der darf nicht mit rüber.« Das war wegen der Tollwut, einer Krankheit, die es in Frankreich und Europa gibt, die kriegt man, wenn man von einem Tier gebissen wird, von einer Katze oder einem Hund oder einem Kaninchen, davon kriegt man Schaum vorm Mund und muss sterben. Ich dachte, »was sollen wir machen, das ist eine Katastrophe, wir können ihn doch nicht dalassen.« Aber dann hat Mum ein bisschen gelacht und gesagt, »Moment, Moment, ich hab mich geirrt, das ist nur auf dem Rückweg so, wenn wir wieder reinwollen.«
    Ich hab mir trotzdem furchtbare Sorgen gemacht. Ich sagte, »was soll das heißen, Mum? Dass wir ihn in Rom lassen müssen?« Aber sie sagte, »nein, nein, keine Angst, Lawrence, mein Spatz, es wird alles gut, wir besorgen ihm einen Haustierpass, das ist heutzutage gar kein Problem mehr, das hab ich im Radio gehört.« Ich dachte, »Gott sei Dank«, aber ein bisschen hab ich mir immer noch Sorgen gemacht.
Ich dachte, »und wenn Mum sich wieder geirrt hat?« Weil, sie irrt sich nämlich manchmal, wie zum Beispiel das eine Mal, wie wir nach Edinburgh gefahren sind, weil wir Dad besuchen wollten, und dann hat sie sich verfahren, und wir wären fast in Glasgow gelandet. Jemima hat sich auch Sorgen gemacht, weil sie Hermann nämlich wirklich gut leiden kann, sie will ihm immer frisches Wasser geben und ihn füttern, obwohl ich sie natürlich nicht lasse, weil sie bloß ein Kleinkind ist und alles falsch machen würde. Sie sagte, »und wenn es keinen Haustierpass gibt?«, aber Mum sagte, »sei nicht albern, Lamikin, natürlich gibt es einen.«
    Wir haben die Fahrkarten für den Kanaltunnel gekauft und dem Mann von der Passkontrolle unsere Pässe gezeigt, und es hat ihn überhaupt nicht gestört, dass Jemimas Sachen nicht zu meinem Sonntagsstaat passen, und deswegen mussten wir sie dann doch nicht dalassen. Wir sind mit dem Auto direkt in den Zug reingefahren, was komisch war, und ich hab ein paar Jacken auf Hermanns Käfig gelegt, damit ihn keiner sehen kann, nur falls Mum sich doch geirrt hat, aber ich glaub nicht, dass irgendwer reingeguckt hat. Danach sind wir durch den Tunnel gefahren, das ging echt schnell, dabei dachte
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