Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren
Autoren: Matthew Kneale
Vom Netzwerk:
ihrer Quengelstimme, »aber ich will mein Puppenhaus mitnehmen.«

    Das war natürlich unmöglich, das war echt blöd von ihr. Mum hat gesagt, »aber das geht nicht, Jems, mein Spatz, das Auto ist schon voll«, und ich hab Mum geholfen und gesagt, »Jemima, hab ich dir nicht gestern gesagt, du sollst dir genau überlegen, was du in deine Kisten tust, na also, jetzt sei keine Heulsuse.« Aber Jemima ist einfach nicht fair, statt dass sie sagt, »ja, stimmt, du hast recht«, reckt sie ihr Kinn in die Luft, das ist immer ein schlechtes Zeichen, und sie hat gesagt, »ohne mein Puppenhaus komm ich nicht mit, das ist mein allerliebstes Lieblingsspielzeug«, was auch noch gelogen war, weil sie nämlich manchmal wochenlang nicht damit gespielt hat. Dann ist sie wieder in die Küche gerannt, und ich dachte, »au nein, das ist eine Katastrophe, was, wenn Dad jetzt wirklich kommt?«, und fast hätt ich zu Mum gesagt, »sollen wir sie nicht einfach hierlassen?«, aber dann hätte Mum ja doch bloß gesagt, »sei nicht albern.«
    Es ist echt schwer, Jemima zu fangen, sie ist schnell, und wenn man meint, man hat sie erwischt, zappelt sie rum wie ne Schlange, bis man sie loslässt, und beißen tut sie auch. Wir haben sie in der Küche geschnappt, aber sie hat mich in die Hand gebissen und mir ins Ohr geschrien, so dass ich ein paar Minuten lang fast gar nichts mehr hören konnte, und sie ist uns wieder entkommen. Wie sie uns im Wohnzimmer und dann auch noch im Badezimmer wieder abgehauen ist, hat Mum geblinzelt und sich am Arm gekratzt und gesagt, »na schön, na schön, Jemima, du hast gewonnen, wir nehmen dein verdammtes Puppenhaus mit.« Da ist sie nicht mehr weggelaufen und wie ein braves Mäuschen die Treppe runtergekommen, und sie hatte dieses spezielle Lächeln im Gesicht, das ich nicht ausstehen kann, wie wenn sie sagen will, »ätsch, wieder gewonnen.«
    Eigentlich ist Jemimas Puppenhaus gar nicht so groß, es ist ein Cottage, so wie unser Haus, nicht viel größer als eine von ihren Kisten, und ich dachte mir, »wir tauschen
es einfach gegen eine Kiste«, aber wie wir in den Kofferraum geguckt haben, standen ihre Sachen unter den ganzen anderen Sachen. Mums Stimme wurde ganz leise und quietschig, und sie sagte, »Herrgott noch mal. Hör zu, Lawrence, wir haben wirklich nicht die Zeit, noch mal alles auszupacken. Tut mir leid. Wir müssen eine von deinen Kisten hierlassen.« Ich konnte es echt nicht fassen, ich sagte, »das ist nicht fair, Mum.« Aber Mum hat überhaupt nicht zugehört, sie sagte, »Lawrence, es tut mir wirklich sehr leid, aber ich kann einfach nicht mehr, wir müssen jetzt sofort fahren.« Nach allem, was ich für Mum getan hatte, aufstehen wie ein Wirbelwind und ihr helfen, das Auto zu packen, weil sie »verdammt, verdammt« gerufen hat. Wo wär sie denn überhaupt ohne mich? Am liebsten wär ich ganz weit weggelaufen, so unfair war das, am liebsten hätt ich gesagt, »okay, dann komm ich auch nicht mit.« Aber dann wusste ich auf einmal, dass ich das nicht machen durfte, wie wenn es mir eine kleine Stimme gesagt hätte. Ich dachte, »das ist ein Notfall, Dad kann jeden Augenblick kommen, und Mum ist so verzweifelt.« Und obwohl ich wirklich, wirklich wütend war, hab ich kein Wort gesagt, wie wenn ich meine ganze Wut in eine Tüte gesteckt und oben zugeknotet hätte.
    Ich hab eine von meinen Kisten aus dem Kofferraum genommen, das war die mit der Rennbahn und den meisten Autos und meiner Spielkonsole und meinen Spielen, die hab ich genommen, weil sie obendrauf stand, und ich hab gedacht, »mir doch egal.« Dann bin ich wieder reingegangen und hab sie in mein Zimmer gebracht und Jemimas verdammtes Puppenhaus geholt. Ich habs nach unten geschleppt und in den Kofferraum gestellt. Wie ich an Jemima vorbeikam, die in ihrem Kindersitz hockte, hab ich sie böse angeguckt und gesagt, »hoffentlich bist du jetzt zufrieden«, aber sie hat kein Entschuldigungsgesicht gemacht oder geheult
oder sonst was, sie hat bloß mit den Füßen gebaumelt und Kribbel-Krabbel-Spinne gesungen. Da bin ich auch eingestiegen und hab mich mit einem lauten Klick angeschnallt. Mum ist rübergekommen und hat sich ganz weit mit dem Gesicht zu mir runtergebeugt und gesagt, »es tut mir ehrlich leid, Lawrence, ich weiß, dass das nicht richtig war, aber es ist ein Notfall. Weißt du was? Wenn wir in Rom sind, kriegst du eine Überraschung, eine ganz besondere Überraschung, was meinst du?«, aber ich hab nichts gesagt, ich hab dagesessen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher