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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren
Autoren: Matthew Kneale
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braucht bloß seinen Käfig.« Und es war schon spät, wie ich fertig war, aber nicht so spät wie sonst manchmal, es wurde jedenfalls noch nicht hell. Ich hab die Kisten nach unten gebracht, meinen Schlafanzug angezogen und mir die Zähne geputzt, jeden Zahn viermal, wie Mum es haben will, dann hab ich Mum ihren Gutenachtkuss gegeben, sie war noch am Packen und hat immer noch gelächelt, und dann bin ich ins Bett gegangen.
    Wie ich aufgewacht bin, wurde es schon ein bisschen hell, und ich konnte Mum hören, sie war draußen und hat »verdammt verdammt« gerufen, und da wusste ich, dass was nicht stimmt. Ich dachte, »au nein, was ist denn nun schon wieder?« Ich hab mir wie ein Wirbelwind meine
Sachen angezogen und bin ohne Zähneputzen nach unten gerannt, wo es kalt war, weil die Haustür sperrangelweit offen stand. Mum stand am Auto, ein paar Taschen waren schon drin und noch viel mehr davor. Sie sagte, »verdammte Schrottkiste«, und ihr Lächeln war auch wieder weg, was ich mir schon gedacht hatte, sie sah müde aus und ängstlich, und sie sagte, »ich krieg einfach nicht alles rein.« Dann hat sie sich nach allen Seiten umgeguckt und auf einmal laut gerufen, »ist mir doch egal, ob du hier irgendwo auf der Lauer liegst.«
    Obwohl ich noch nicht mal gefrühstückt hatte, dachte ich, »ich helf ihr, damit es ihr wieder besser geht«, und ich sagte, »keine Bange, Mum, das schaffen wir schon«, und ich hab ihr mit den Taschen geholfen, aber wir konnten sie hin und her schieben, wie wir wollten, sie passten echt nicht alle rein, was schade war. Mum hat sich am Arm gekratzt, er war schon wieder ganz rot, und sie hat gesagt, »ach Gott, wir kommen nie hier weg, und gleich ist bestimmt euer Dad da, das weiß ich genau.«
    Und dann ist was Komisches passiert. Wie sie das gesagt hat, kam nämlich ein Auto die Straße rauf, und da hab ich richtig Schiss gekriegt und gedacht, »das ist er, er ist weggefahren, weil er was einkaufen wollte oder frühstücken, und jetzt kommt er mit seinem Auto wieder«, ich dachte, »ich weiß was, ich schnapp mir einen großen Stock«, aber da war keiner, nirgends, was schlimm war. Ich dachte, »au nein, was soll ich jetzt machen?«, aber was soll ich sagen? Wie ich wieder hochgeguckt hab, war da überhaupt kein Auto. Die Straße war ganz leer und auch ganz leise, echt seltsam, weil ich es ganz bestimmt gehört hab, es war wie ein Rätsel. Und ich dachte, »dann sind wir also doch noch sicher«, und da war ich gleich wieder viel besser drauf. Ich dachte, »jetzt kann uns doch nichts passieren.« Dann hab ich Mums Hand festgehalten, damit sie sich nicht mehr
kratzt, und gesagt, »Mum, wir müssen bloß ein paar Sachen hierlassen.« Und da ging es ihr auch besser, sie sagte, »du hast recht, Lawrence. Natürlich hast du recht.«
    Mum ist echt klug, sie hilft mir bei den Hausaufgaben, sie erzählt lustige Witze, sie weiß immer, was andere denken, sogar Fremde, die sie noch nie im Leben gesehen hat, aber manchmal benimmt sie sich so, wie wenn sie feststeckt, wie wenn sie nicht mehr weiterweiß, und dann muss ich ihr helfen und sie ein bisschen anschubsen. Ich hatte schon Angst, sie würde sagen, dass ich eine von meinen drei Kisten dalassen soll, aber das ging noch mal gut, sie hat eine von ihren genommen. Da war der große silberne Kerzenständer drin, den wir nie benutzen, und ein paar Tassen und andere Sachen aus Silber, und sie sagte, »soll er den Krempel ruhig haben, ist mir doch scheißegal«, und dann hat sie die Kiste wieder ins Haus gebracht. Hinterher hat sie noch zwei andere rausgenommen, und wie wir es noch mal probiert haben, hat tatsächlich alles reingepasst. Ich dachte, »hurra, jetzt kanns losgehen.« Den Käfig mit Hermann drin hat sie direkt neben meinen Sitz gestellt, das war nett.
    Jetzt hat Mum wieder gelächelt und ich auch, ich dachte, »jetzt wird alles gut.« Wir sind ins Haus gelaufen, ich hab mir blitzschnell die Zähne geputzt und ein paar Scheiben Toast gemacht, während Mum Jemima geweckt und ihr beim Anziehen geholfen hat. Wir hatten beide unsere besten Sachen an, unseren Sonntagsstaat, wie Mum dazu sagt, weil Mum wollte, dass wir schön aussehen für den Mann, der am Kanaltunnel die Pässe kontrolliert. Jemima hat ihr Frühstück gegessen, ohne wie sonst manchmal viel Theater zu machen, sie sagte, »ich möchte noch ein Ei«, was gut war, und hinterher haben wir ganz schnell abgespült. Aber wie wir gerade los wollten, guckt sie auf einmal hoch und sagt mit
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