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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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«Ich weiß gar nicht, was du willst. Du läßt dich ja von ihm auch immer zum Essen einladen.»
    «Darauf würde ich gern verzichten, wenn er mir endlich meine Honorare zahlen würde. Wenn es weiter so schneit, haben wir den Kerl womöglich wochenlang auf dem Hals.»
     

22
     
    Als der vogeläugige Lancelot am Freitagnachmittag eintraf, mußte ihm Shepherd’s Delight wie Amundsens Lager am Nordpol vorkommen.
    Vater öffnete ihm die Haustür und schauerte unter der Schneeböe zusammen, die ihm entgegenwehte. «Hallo, gute Fahrt gehabt?» sagte er tapfer.
    «Die reinste Katastrophe», sagte Lancelot. Seine kleinen gelben Vogelaugen huschten über unsere kalte Diele. Er schien in diesem Augenblick wohl selbst nicht mehr zu begreifen, wie er hierhergekommen war, warum man ihn eingeladen und wieso er die Einladung eigentlich angenommen hatte. «Zweimal hat man mich freischaufeln müssen, und bis jemand kam, hab ich in der Kälte auch noch ewig warten müssen», sagte er.
    Vater schüttelte den Kopf und sagte dann vorwurfsvoll: «Hatten Sie denn selber keinen Spaten dabei?»
    Lancelot sah ihn gekränkt an. «Zwischen Fleet Street und Kensington braucht man für gewöhnlich keinen Spaten», sagte er kurz.
    Ich führte ihn nach oben in das geräumige, mit Linoleum ausgelegte Holzwurmzimmer. «Wenn es Ihnen nicht warm genug ist», sagte ich, «können Sie gern den elektrischen Ofen anmachen.»
    Er sah sich um. «Sie meinen das kleine Ding da?»
    «Ja», sagte ich fröhlich. «Es wärmt ganz schön, wenn man sich nahe daran setzt.»
    Vor den vereisten Fenstern des Zimmers heulte der Schneewind. Im Hinausgehen sagte ich munter: «Wenn es so weiterschneit, sitzen sie hier bestimmt vier Wochen fest.»
    Ich hatte nicht den Eindruck gewonnen, daß Lancelot ausgesprochen fromm war. Aber an diesem Abend, darauf wettete ich, würde er den Himmel um gutes Wetter anflehen.
    Nach einer Weile kam er herunter. «Kommen Sie - ich will Sie mit unserem anderen Gast bekannt machen.» Ich führte ihn ins Wohnzimmer und sagte: «Gloria, dies ist Lancelot Miller, für dessen Zeitschrift Vater gelegentlich Artikel schreibt. Das ist Gloria Perkins, eine alte Freundin des Hauses.»
    Die Iris unter den sandfarbenen Augenlidern begann zu glitzern. «Sehr erfreut», sagte er. «Mein Gott, was für ein schreckliches Wetter. Wie hat es Sie denn hierher verschlagen, Miss Perkins?»
    Ich überließ die beiden ihrem Schicksal.
    Ich war an diesem Wochenende nicht viel zu Hause. Lancelots Gebet war anscheinend erhört worden, jedenfalls schlug das Wetter um. Die Landschaft war in trockenem Frost erstarrt unter einem seidenblauen Himmel.
    Oben auf Harker’s Clump pflügten Johnnie und ich uns durch die Schneewehen, wir bewarfen uns mit Schneebällen, und Johnnie brachte einen alten Schlitten aus seiner Kinderzeit mit, und wir rodelten fröhlich den Hügel hinunter, die Kufen zischten leise in der weichen Stille.
    Am Montagabend fragte Vater dann auf einmal: «Wo ist eigentlich Gloria? Ich habe sie seit Tagen nicht gesehen.»
    Mutter sah ihn erstaunt an. «Aber Lieber, hat dir denn niemand Bescheid gesagt? Sie ist fort.»
    «Was heißt das: fort? Wo ist sie hin?»
    «Nach London, mit Lancelot. Er hat sie mitgenommen. Er ist auf den Gedanken verfallen, sie in seinem Büro anzustellen.»
    «Gloria???»
    «Ja. Na, er muß es ja wissen. Jedenfalls, er hat sie mitgenommen.»
    «In dem Büro möchte ich gern mal Mäuschen spielen.»
    Danach sagte Vater eine Weile nichts mehr, warf aber Mutter, die las, mehrmals argwöhnische Blicke zu.
    «Was liest du denn da?» fragte er schließlich.
    «Einen Reiseführer von Sark.»
    «Lies, was du willst, Clementine. Aber das eine sage ich dir: nach Sark gehen wir nicht.»
    Mutter lächelte freundlich und las weiter.
     

23
     
    In diesen Wintertagen, wo Derbyshire in tiefem Schnee lag, wurde mir wieder einmal bewußt, wie sehr ich diese Landschaft liebte. Und jetzt, nachdem ich meinen Schmerz überwunden hatte,
    fühlte ich mich wieder frei und unbeschwert.
    Nur etwas nagte noch an meinem Gewissen. Ich hatte Miss Buttle, die ich früher so gern gemocht hatte, zu Unrecht beschuldigt, den anonymen Brief geschrieben zu haben, und dabei war sie ohnedies schon mit den Nerven so herunter. Ich mußte mich bei ihr entschuldigen.
    Ich ging zu ihr und stieg langsam die Treppe hinauf und trat zögernd ein. Nirgends war sie zu sehen, auch hinter dem Vorhang der Kochnische nicht; hier stapelte sich gebrauchtes Geschirr. «Miss
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