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Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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Schmidt einmal …
    … gern Revolutionär gewesen wäre
    1959. Im Bundestag hat Helmut Schmidt einen Mann gefunden, mit dem er sich rhetorisch so kloppen kann, wie er sich das immer vorgestellt hat: »Es fällt schwer, bei der Polemik des Herrn Baron von Guttenberg nicht zu beklagen, dass die Deutschen niemals eine Revolution zustande gebracht haben, die dieser Art von Großgrundbesitzern die materielle Grundlage entzogen hätte.«
    Karl-Theodor zu Guttenberg, drei Jahre jünger als Schmidt, ist der Großvater des zu kurzzeitigem Ruhm gekommenen späteren Verteidigungsministers.
    Als zu Guttenberg schwer erkrankt, besucht ihn Schmidt am Krankenbett. Er ist erschüttert von der »ungemein knappen, alles Unwesentliche beiseite lassenden Präzision, nicht nur der Sprache, sondern ebenso der Gedanken« des Todkranken: »Sein Urteil war dasjenige eines völlig freien, eines befreiten Mannes.«
    Bei der Beerdigung zu Guttenbergs im Oktober 1972 hält Schmidt die Grabrede.
    In einem später erschienenen Nachruf spricht er von der Tapferkeit, mit der Guttenberg »dem Tod entgegengegangen« sei, und von seiner »Gelassenheit in Gott«: »Das alles zusammen hat uns einen Mann erleben lassen, der abhängig war nur von seinem Gewissen.« Schmidt: »Er war ein Gegner, nicht ein Feind.«
    Das ist das vorletzte Mal, dass ein Guttenberg bei Schmidt gut wegkommt. Guttenbergs Enkel lobt er zwar erst als kanzlerfähig, doch als der CSU-Aufsteiger den Generalinspekteur der Bundeswehr und den Gorch-Fock-Kapitän in die Wüste schickt, hört für Hobbysegler und Hauptmann der Reserve Schmidt der Spaß auf.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … Willy Brandt erzählte, was Studenten im Norden so machen
    Im frisch gebildeten sozialliberalen Kabinett kommt es 1969 zwischen Willy Brandt und Helmut Schmidt zum Streit über den Umgang mit der Jugend.
    Schmidt hat die mit Marx-Zitaten und Steinen werfenden Studenten von Anfang an nicht ausstehen können. Brandt sieht die Radikalen etwas milder und denkt, dass aus denen noch was werden kann. Mindestens Oberstudienrat. Im optimalen Fall sogar Bundeskanzler – dafür ist er selbst ja quasi das beste Beispiel. Schließlich war Brandt in seiner Jugend auch mal dunkelrot.
    Der Kanzler will eine Amnestie für die aufgrund der antiquierten Straftatbestände »Auflauf« und »Aufruhr« zu Straftätern gewordenen Radikalinskis. Schmidt ist gegen die weiche Welle. Das Hauptargument für politische Härte liefern wie immer Lehren aus dem Leben eines bestimmten Mannes: Helmut Schmidt: »Kameraden, hier im Kabinett sitzt keiner, der wie ich Innensenator war und die Polizei geleitet hat.«
    West-Berlin gilt zwar als deutsche Protesthauptstadt, aber Schmidt hat überraschenderweise ganz im Norden die Anarcho-Kapitale ausgemacht: »Während wir hier reden, hauen die in Kiel dem Rektor in die Fresse und scheißen im Gerichtssaal auf den Tisch.«
    Die Amnestie wird aufgeschoben.

Als Helmut Schmidt einmal …
    … den Secret Service das Service durchsuchen ließ
    Im Juli 1977 besucht Helmut Schmidt die USA. Dort regiert seit Januar – zum größten Bedauern des Kanzlers – Jimmy Carter. Natürlich darf der Kanzler nicht sagen, was er von Carter hält, denn dann wäre die Antwort auch im National Press Club (NPC) in Washington, wo Schmidt am 14. Juli 1977 ein Pressediner abhält, schnell gegeben: nichts.
    Stattdessen redet er in perfektem Englisch über die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Entspannung und wie es halt so weitergehen könnte auf der Welt, wenn die Vernunft, also er, sich durchsetzen würde.
    Sprecher im National Press Club legen traditionell ihre Uhr zur besseren Zeitkontrolle vor sich auf den Tisch. Bisher haben alle sie hinterher auch wieder mitgenommen. Alle. Bis auf Schmidt. Als er schon eine Stunde weg ist, fällt dem Kanzler auf, dass er seine Uhr vergessen hat. Das ist in der knapp siebzigjährigen Geschichte des NPC noch nie passiert.
    In der größten Suchaktion, die der National Press Club je gesehen hat, durchwühlen die Männer des Secret Service, assistiert von deutschen Sicherheitsbeamten, statt die Mülleimer nach Bomben das bereits zusammengeräumte Service nach Schmidts Uhr. Sogar die benutzten Servietten werden wieder auseinandergerollt. Doch die Uhr bleibt verschwunden.
    Als der Kanzler nach Amerika kam, hatte er schon jede Illusion über Carter verloren. Als er wieder fährt, ist auch noch seine Uhr weg. Doch das deutsch-amerikanische Verhältnis steht auch diese Krise
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