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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend
Autoren: Jeffery Deaver
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Kriegsgebiet, der sich einem verdächtigen Paket am Straßenrand nähert.
    Die Aussicht auf eine Reise mit Michael O'Neil war ziemlich verlockend.
    Doch Kathryns Antwort konnte natürlich nicht Ja lauten. Zunächst mal musste O'Neil für seine Kinder da sein, und zwar hundertprozentig. Vielleicht - hoffentlich - wussten sie noch nichts von den Problemen ihrer Eltern. Doch sie würden zumindest etwas ahnen. Kinder haben von Natur aus ein nahezu untrügliches Gespür.
    Und es gab noch einen anderen Grund, der dagegen sprach, dass Dance und O'Neil ihre Freizeit gemeinsam in Los Angeles verbrachten.
    Zufälligerweise tauchte er genau in diesem Moment auf.
    »Hallo?«, rief jemand vom Garten neben dem Haus.
    Dance erwiderte Michael O'Neils Blick und lächelte verlegen. »Hier hinten«, rief sie. »Die Treppe herauf.«
    Wieder ertönten Schritte auf den Stufen, und Jonathan Boling betrat das Deck. Er lächelte O'Neil zu und gab ihm die Hand. Genau wie Dance trug er Jeans, dazu ein schwarzes Baumwollhemd und einen Anorak von Lands' End sowie Wanderstiefel.
    »Ich bin ein bisschen früh dran.«
    »Kein Problem.«
    O'Neil war nicht nur intelligent, er schaltete auch schnell. Dance konnte sehen, dass er sofort begriff. Im ersten Moment war er sogar bestürzt, dass er sie in eine unangenehme Situation gebracht hatte.
    In seinem Blick lag eine aufrichtige Entschuldigung.
    Und ihrer gab ihm zu verstehen, dass das nicht nötig war.
    Darüber hinaus war O'Neil amüsiert und lächelte Dance fast genauso zu wie letztes Jahr, als im Autoradio plötzlich der Sondheim-Song »Send in the Clowns« erklungen war, in dem es um ein mögliches Liebespaar geht, das einfach nie zueinander finden kann.
    Es hing alles vom Timing ab, das wussten sie beide.
    »Jonathan und ich fahren übers Wochenende nach Napa«, sagte Dance ruhig.
    »Bei meinen Eltern findet ein kleines Familientreffen statt. Ich bringe dazu immer gern jemanden mit, sonst wird es zu langweilig.« Boling spielte die Sache herunter. Auch er war nicht dumm - er hatte Dance und O'Neil zusammen erlebt -, und er wusste, dass er gerade einen unpassenden Moment erwischt hatte.
    »Da oben ist es wunderschön«, sagte O'Neil.
    Dance erinnerte sich, dass er und Anne ihre Flitterwochen in einer Pension unweit des Guts Cakebread mitten im Weingebiet verbracht hatten.
    Könnte mir eine solche Ironie des Schicksals in Zukunft bitte erspart bleiben?, dachte Dance. Und erkannte, dass sie wie ein junges Mädchen rot geworden war.
    »Wes und Maggie sind bei deinen Eltern?«, fragte O'Neil.
    »Ja.«
    »Ich rufe ihn an. Ich will morgen früh um acht ablegen.«
    Sie liebte ihn dafür, dass er den Angelausflug mit dem Jungen nicht abgesagt hatte, obwohl Dance nicht in der Stadt sein würde und O'Neil zurzeit jede Menge eigene Probleme bewältigen musste. »Danke. Er freut sich schon sehr darauf.«
    »Man schickt mir aus Los Angeles eine Kopie der richterlichen Entscheidung. Ich leite sie per E-Mail an dich weiter.«
    »Lass uns lieber reden, Michael«, sagte sie. »Ruf mich an.«
    »Okay.«
    O'Neil würde verstehen, dass sie mit ihm über ihn, Anne und die bevorstehende Trennung sprechen wollte, nicht über den Fall J. Doe.
    Und Dance wusste, dass er sie nicht anrufen würde, während sie mit Boling unterwegs war. So war Michael O'Neil eben.
    Kathryn verspürte auf einmal das dringende Bedürfnis, den Deputy erneut zu umarmen, und trat einen Schritt auf ihn zu. Für jemanden, der wenig Ahnung von kinesischer Analyse hatte, durchschaute O'Neil ihre Absicht unglaublich schnell. Er wandte sich ab und ging zur Treppe. »Ich muss die Kinder abholen. Heute ist Pizza-Abend. Auf Wiedersehen, Jon. Und, he, vielen Dank für Ihre Hilfe. Ohne Sie hätten wir es nicht geschafft.«
    »Sie schulden mir eine Dienstmarke aus Blech«, sagte Boling grinsend und fragte Dance, ob er schon etwas zum Wagen bringen könne. Sie zeigte auf die Einkaufstüte mit Limonade, Wasser, Snacks und CDs für die Fahrt nach Norden.
    Kathryn hielt ihr Weinglas mit beiden Händen vor der Bust umklammert und schaute O'Neil auf den Stufen hinterher. Sie fragte sich, ob er sich noch mal umdrehen würde.
    Er tat es, nur ganz kurz. Sie lächelten einander zu, und dann war er weg.
     
     

Impressum
    Allwissend
von Jeffery Deaver (Autor),
Thomas Haufschild (Übersetzer)
Preis: EUR 21,95
Gebundene Ausgabe: 544 Seiten
Verlag: Blanvalet Verlag (15. Februar 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 376450336X
ISBN-13: 978-3764503369
Originaltitel: Roadside
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