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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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Provisional Authority, wie sich die Besatzungsverwaltung nennt. „Koalition“, weil man zeigen möchte, dass man in der Welt nicht alleine dasteht, und „provisorisch“, um keinen langfristigen Kolonialeindruck zu erwecken. Nur am Wort Autorität kam man irgendwie nicht vorbei.
    Mike hat sich auf der Sitzgruppe niedergelassen, auf der noch vor acht Monaten eine Gruppe irakischer Parlamentarier ihre Lobeshymnen auf Saddam Hussein in den Block diktiert hatte. Nur fühlten die sich damals nicht ganz wohl, saßen ganz am Rand der Ledersessel, in der Hoffnung, das Maskeradenspiel und das Gespräch schnell hinter sich bringen zu können. Bei Mike ist das anders. Er hat sich zurückgelehnt, die Arme auf beiden Seiten der Rückenlehne des Sofas ausgestreckt, einen Fuß mit seinem blank polierten Schuh lässig auf den Oberschenkel des anderen Beines gelegt. Mike fühlt sich sichtlich wohl, er glaubt fest an das, was er sagt. Sich selbst beschreibt er als „Teilnehmer an einer noblen Mission“. Und auch auf die Frage, warum seiner Meinung nach die Amerikaner auf ihrer noblen Mission im Irak so häufig unter Beschuss geraten, kontert er mit einem: Das seien die letzten Verzweifelten, die es einfach nicht ertragen könnten, wie gut es jetzt im Irak laufe. „Sie greifen unseren Erfolg an.“
    Mikes Boss, der Chef der Zivilverwaltung, Paul Bremer, von allen in der CPA kurioserweise „Mister Botschafter“ genannt, reist regelmäßig nach Washington, wo inzwischen ernsthaft über einen Strategiewechsel in Sachen Irak nachgedacht wird. Aber Mike ist nicht weiter beunruhigt. „Es wird keinen Strategiewechsel geben, aber wir befinden uns in einem konstanten Prozess der taktischen Neubewertung der Lage“, sagt er.
    Bei Mike gibt es keine Widersprüche, nicht einmal in seinem Lebenslauf. Über sein Alter möchte er nicht sprechen, aber er ist höchstens Anfang dreißig, hat an einer amerikanischen Eliteuniversität Recht studiert, bei der Bush-Wahlkampagne mitgemacht, ein wenig im Pentagon gearbeitet, und jetzt sitzt er seit drei Monaten hier, um die US-Politik an Journalisten zu verkaufen: „Unser Job ist es, irgendwann keinen Job mehr zu haben“, sagt er, oder: „Es gibt großartige Fortschritte bei der Irakisierung.“ Beispielsweise bei der Polizei laufe es gut, führt Mike aus. Die agiere inzwischen viel unabhängiger von der US-Armee. Von direkter Kontrolle in den Polizeistationen durch die Militärpolizei sei man inzwischen zur „Beobachtungsphase“ übergegangen.
    Vor kurzem, als ich mich in einer Polizeistation in Bagdad mit einem irakischen Polizeioffizier unterhielt, war sein Kollege von der US-Militärpolizei hereingeplatzt und hatte den Iraker einfach wie ein Kind nach draußen geschickt. Man müsse bei dem US-Kommandanten erst klären, ob es für den irakischen Polizeioffizier sicher sei, mit Journalisten zu sprechen. Es stellt sich die Frage: Was haben sie mit den irakischen Polizisten gemacht, bevor sie mit Mikes neuer „Beobachtungsphase“ begonnen haben? Überhaupt, schwärmt der weiter, die gemeinsamen Patrouillen mit den Irakern seien großartig, um bei den amerikanischen Truppen „kulturelles Bewusstsein“ zu schärfen. Ob das Ramadan-Skelett Jack und dessen liebenswerter Träger da draußen vor dem Tor auch gelegentlich mit den Irakern Patrouille fahren?
    Mike ist schon bei seinem nächsten Lieblingsthema, dem, was die Iraker wirklich denken. Er leitet das mit dem Satz ein: „Die Iraker haben endlich ein Gefühl der Hoffnung für ihre Zukunft.“ Mike ist überhaupt nicht mehr zu bremsen. Nur bei der Frage, wie oft er eigentlich aus seinem Palast und seinem Kongresszentrum hinaus in die Wirklichkeit Bagdads fährt und mit Irakern spricht, kommt er kurz ins Schleudern. Es sei das erste Mal, dass er überhaupt im Nahen Osten sei, und die Fahrt vom Flughafen hierher sei etwas überwältigend gewesen, räumt er ein, um wieder schnell die Kurve zu kriegen, „so überwältigend, weil das Land unter Saddam Hussein so vernachlässigt war“.
    Auch wenn Mike es nicht zugeben mag: Ausländische Diplomaten und Vertreter von Hilfsorganisationen, die mit den jungen US-Verwaltern im Palast regelmäßig zu tun haben, sagen alle übereinstimmend, dass diese nie aus ihrer amerikanischen Insel im Zentrum Bagdads herauskommen und dass sie sich, wenn überhaupt, nur von einer kleinen ausgewählten Gruppe beraten lassen. Ihr Leben zu riskieren, überlassen sie lieber den Soldaten.
    Mike arbeitet nach eigener
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